© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/21 / 24. September 2021

Straßen und Gemälde werden umbenannt
Unser Kulturerbe wird beseitigt
Fabian Schmidt-Ahmad

An Daniele da Volterra ging einst der Auftrag, Hand an das „Jüngste Gericht“ von Michel-angelo zu legen. Die dargestellte Nacktheit empörte den prüden Geschmack. Auch unsere Zeit ist von einer politischen Verklemmtheit ergriffen, die sich an die Umschreibung, Übertünchung oder Beseitigung unseres Kulturerbes macht. 

Der „Mohr mit Smaragden“ aus dem Grünen Gewölbe überstand Plünderungen durch Preußen, Franzosen, Russen und arabische Familienclans, doch nicht den Zensor. Über 140 Kunstwerke seien inzwischen „auf rassistische oder anderweitig diskriminierende Begriffe oder Inhalte“ geprüft worden, gab das sächsische Kultusministerium bekannt.

Wo Sachsens Scham, darf Preußens Schuld nicht fehlen. Das „Mohrenrondell“ in Sanssouci ist nicht mehr, stattdessen belehrende Texte über Kolonialismus und andere Schrecken des weißen Mannes. Dazu gehört wohl irgendwie der sogenannte „Generalszug“ in Berlin-Kreuzberg mit Straßennahmen preußischer Militärs. Wie die Straßen künftig heißen sollen, ist unklar, aber bisher war auf die unfreiwillige Komik des politkorrekten Geschmacks Verlaß.

Volterra übrigens, dem der ungeliebte Auftrag reichlich Spott als „Höschenmaler“ einbrachte, wollte womöglich nur das Werk seines ehemaligen Mentors vor Zerstörung schützen. Vor diesem Verdacht sind heutige Zensoren, erfüllt von Eifer und Linientreue, freilich gefeit.