© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/21 / 24. September 2021

Buntes Bewerberfeld
„Sonstige“: Dutzende kleine Parteien treten zur Bundestagswahl an
Christian Schreiber

Für Vielfalt auf dem Wahlzettel ist gesorgt. Ein buntes Bewerberfeld von 47 Parteien tritt im Rennen um die Sitze unter der Reichstagskuppel an. Nicht nur die, die dort bereits mit Abgeordneten vertreten sind, sondern auch jene, die am Wahlabend unter dem Balken mit der Aufschrift „Sonstige“ zusammengefaßt werden. 

Von ihnen könnten die Freien Wähler die größten Chancen auf einen gewissen Achtungserfolg haben. In Bayern stellen sie als kleinerer Koalitionspartner gemeinsam mit der CSU die Staatsregierung, in Brandenburg und Rheinland-Pfalz ist ihnen der Einzug in die Landtage gelungen. Doch der von Parteichef Hubert Aiwanger angekündigte Einzug in den Bundestag dürfte ein frommer Wunsch bleiben. Kurz vor der Wahl lag die bürgerliche Truppe in allen Umfragen bundesweit zwischen zwei und drei Prozent. 

Neben den Freien Wählern ist die einstige Satire-Formation „Die Partei“ die wohl bekannteste unter den kleinen Parteien. Sie wurde 2004 von Redakteuren des Magazins Titanic gegründet. Mittlerweile zeigt das Grundsatzprogramm eine durchaus humorloser wirkende Ausrichtung: Gerechter Ausgleich zwischen Arm und Reich, nachhaltige Reform des Gesundheitssystems sowie mehr Demokratie durch plebiszitäre Elemente auf Bundesebene. „Die Partei“ sitzt mit ihrem Gründer Martin Sonneborn im Europaparlament und ist gerade in Ballungsgebieten auf kommunaler Ebene mit vielen Mandaten präsent. 

Der SSW hat gute Chancen in den Bundestag einzuziehen

Die meisten der kleineren Parteien schielen eher nach der Sperrklausel von einem halben Prozent. Überwinden sie diese, kommen sie in den Genuß der staatlichen Parteienfinanzierung. Für jeden Wähler gibt es dann einen Euro vom Staat. 2017 gelang dies neben den Freien Wählern und der „Partei“ nur der Tierschutzpartei. Sie wurde 1993 gegründet und hat bundesweit etwa 2.000 Mitglieder. 2016 erreichte sie in Sachsen-Anhalt einen Anteil von 1,5 Prozent – ihr bis dato bestes Ergebnis bei einer Wahl auf Landes- oder Bundesebene.

Ein Ergebnis von etwa einem Prozent trauen Experten aber der pro- und gesamteuropäischen Bewegung Volt zu. Die Partei will die europäische Integration vertiefen und gleichzeitig die EU-Institutionen reformieren. Volt Deutschland wurde 2018 gegründet und ging neben der EU-Ausrichtung mit den Themen Klimaschutz, Digitalisierung und Bildungsreform in den Wahlkampf.  

Für Aufsehen könnte der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) sorgen. Die Partei der dänischen und friesischen Minderheit im Norden ist von der Fünfprozenhürde befreit. Spitzenkandidat ist Stefan Seidler, im Hauptberuf Dänemark-Koordinator der Kieler Landesregierung. Der 41jährige Flensburger rechnet damit, daß der SSW 40.000 bis 50.000 Stimmen brauchen wird, um mit einem Mandat in den Bundestag einzuziehen. Unrealistisch ist das nicht. Bei der Landtagswahl 2017 erreichte die Minderheitenpartei knapp 49.000 Stimmen. 

Erstmals zur Wahl stellt sich das „Team Todenhöfer“, welches von dem 80jährigen früheren CDU-Bundestagsabgeordneten und Publizisten Jürgen Todenhöfer gegründet wurde. Im Programm: „Ehrlichere Politik“ und eine „gewaltfreie humanistische Revolution“. Der einstige Rechtsausleger der Christdemokraten, dessen Team offenbar besonders in der islamischen Einwanderergemeinde um Zustimmung wirbt und der sich öffentlichkeitswirksam vom Profifußballer Mesut Özil unterstützen läßt, fordert eine umgehende Beendigung aller Auslandeinsätze der Bundeswehr. Weiter soll die Finanzierung von Parteien durch Großspenden verboten werden, was etwas überraschend erscheint, denn die Kleinstpartei fiel im Wahlkampf durch eine aufwendige und sicher auch kostenintensive Plakatkampagne auf. Allerdings schaffte es Todenhöfer nicht, in Sachsen-Anhalt ausreichend Unterstützungsunterschriften für einen Antritt zu sammeln.

Der Antritt in allen 16 Bundesländern ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um zumindest einen Achtungserfolg zu erreichen. Neben den Freien Wählern, der Tierschutzpartei, Volt, der Partei ist dieses „Kunststück“ auch der umweltbewußten ÖDP, der linksextremen MLPD sowie der ältesten deutschen Rechtspartei, der NPD gelungen. Das Bundesverfassungsgericht bescheinigte der Partei 2017 verfassungsfeindliche Ziele, entschied sich jedoch gegen ein Verbot, da eine erfolgreiche Durchsetzung nicht möglich erscheine, weil die NPD mittlerweile zu unbedeutend sei. Mit nur noch rund 3.500 Parteimitgliedern und wenigen kommunalen Mandaten scheint selbst ein Achtungserfolg aussichtslos. Innerhalb der Partei herrscht nach der Etablierung der AfD tiefe Ernüchterung, auch wenn der frühere Parteichef Udo Voigt trotzig das Motto vorgibt: „Das Original wählen“. 

Obwohl sie durch Übertritte aus der einstigen „Mutterpartei“ sowohl im Bundes- als auch in mehreren Landtagen vertreten sind, haben die Liberal-Konservativen Reformer, die vom früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke gegründet wurden, keine Aussicht auf Erfolg. Sie stehen lediglich in zehn von 16 Ländern auf dem Stimmzettel. 

Interessant wird sein, ob und wie sich die (Un-)zufriedenheit mit der Corona-Politik der Bundesregierung auswirkt. Mit der Basisdemokratischen Partei Deutschlands tritt eine explizite „Anti-Lockdown-Partei“ an. Als Nachfolgeorganisation der Parteiinitiative „Widerstand 2020“ kritisiert „Die Basis“ die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Sie tritt in 15 von 16 Ländern an, schaffte es aber in der Bundeshauptstadt Berlin nicht, die erforderlichen Unterschriften zu sammeln. 

Eine Bundestagswahl ist auch immer ein Schaulaufen von Außenseitern. Erstaunlich aber, daß es die „Hiphop-Partei“ Die Urbane in immerhin sieben Ländern auf den Stimmzettel geschafft hat. Sie setzt sich für „ein besseres und friedvolles Miteinander“ ein. Durch ihre gesellschaftlichen Erfahrungen aus der Hip-Hop-Subkultur seien ihre Lösungsansätze aber anders als die der anderen Parteien, erklärt die Partei in ihrem Programm. Mit lediglich einer Landesliste sind „Ein-Themen-Parteien“ wie die Gartenpartei oder die Lobbyisten für Kinder vertreten. Auswahl ist dennoch reichlich vorhanden.