© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/21 / 24. September 2021

Fügen und Rügen
Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern: Ministerpräsidentin Manuela Schwesig geht als klare Favoritin ins Rennen / CDU droht Debakel
Christian Vollradt

Am kommenden Sonntag werden nicht nur der Bundestag und das Abgeordnetenhaus von Berlin (JF 38/21) gewählt. Auch in Mecklenburg-Vorpommern dürfen die 1,32 Millionen Wahlberechtigten über die Zusammensatzung eines neuen Landtags befinden. Insgesamt 455 Kandidaten von 24 Parteien sowie neun Einzelkandidaten bewerben sich um die 71 Mandate im Schweriner Schloß. Dort sind  aktuell vier Parteien vertreten. Die regierende rot-schwarze Koalition hat eine solide Mehrheit. Die SPD stellt 26 Abgeordnete, die CDU 18 – zwei frühere AfD-Landtagsmitglieder waren zu ihr übergewechselt. Die AfD, die 2016 zweitstärkste Kraft wurde, hat derzeit 16 Abgeordnete, die Linke – in früheren Zeiten Koalitionspartner der SPD – stellt mit 11 Parlamentariern die kleinste Fraktion.

Diese Zusammensetzung wird sich voraussichtlich ändern. Denn sowohl FDP als auch Grüne könnten in den Landtag zurückkehren, auch wenn die letzten Umfragen vor der Wahl eine Zitterpartie (fünf bzw. sechs Prozent) nahelegen. Lieferten sich vor etwa einem Jahr in den Umfragen SPD und CDU noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Werten von jeweils um die 27 Prozent, so zeichnet sich nun ein deutlicher Sieg für die Partei von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ab. Die Sozialdemokraten erreichten in der jüngsten Befragung einen Wert von 40 Prozent. Die CDU sackte auf 15 Prozent ab  – ein Tiefschlag für den Heimat-Landesverband der Bundeskanzlerin. Es wäre das schlechteste Ergebnis seit 1990. Abermals könnte die Union wie 2016 hinter der AfD auf Platz 3 landen. 

Schwesigs Herausforderer ist eine personelle Notlösung

Regierungschefin Schwesig hatte das Amt 2017 von ihrem Vorgänger Erwin Sellering (SPD) übernommen, der sich wegen einer Krebserkrankung zurückziehen mußte. Und auch Schwesig mußte in den vergangenen Jahren ein Krebsleiden überwinden. Sie nimmt für sich in Anspruch, mit einem harten Kurs in Sachen Corona, der ihr viel Kritik – sogar von der Bundeskanzlerin – einbrachte, das Land mit relativ niedrigen Infektionszahlen durch die Krise gebracht zu haben. Ihre Beliebtheitswerte sind hoch, manche Plakate sind ausschließlich auf die Landesmutter zugeschnitten: „Die Frau für MV“ – ohne SPD-Lo­go.

Um so schlechter ist die Ausgangslage für ihren Herausforderer, den CDU-Landesvorsitzenden Michael Sack. Der Landrat des Kreises Greifswald-Vorpommern ist wenig bekannt und eine Notlösung. Anfang 2020 hatte sich der Landes- und Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de Vincent Kokert aus der Politik zurückgezogen. Als Nachfolger hätten sich viele in der Partei Jung-Star Philipp Amthor gewünscht, doch der strauchelte über eine Lobby-Affäre.

Thematisch spielt die Bewältigung von wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise mit die wichtigste Rolle im Wahlkampf. Kein Wunder in einem Land, in dem der Tourismus solch eine herausragende Bedeutung hat. Hinzu kommt die angespannte Lage bei den Werften und die Debatte um die Zukunft der Landwirtschaft. Doch allgemein spielen die Dauerbrenner in dem sehr stark ländlich geprägten Bundesland eine große Rolle: Infrastruktur, Schulen und medizinische Versorgung. Das spürt auch die AfD, deren Kernthemen innere Sicherheit und Migration zwar weiter von ihr beackert werden, im Wahlkampf allerdings eher eine untergeordnete Rolle spielen. „Wir setzen auch auf Bildung, Familie und Soziales, weil es das ist, was den Leuten am meisten auf den Nägeln brennt“, sagte Spitzenkandidat Nikolaus Kramer der JUNGEN FREIHEIT. Schulpolitisch habe die Landesregierung Jahrzehnte verschlafen. Viel mehr Lehrer brauche es, so Kramer, der Beruf müsse attraktiver werden. „Generell ist Mecklenburg-Vorpommern bei den Löhnen bundesweit das Schlußlicht – das muß sich dringend ändern“, fordert der Fraktionsvorsitzende. Als Ziel nennt er zudem, daß die AfD wieder stärkste Oppositionskraft wird. Während der Legislaturperiode sorgte die Fraktion auch mit Austritten für Schlagzeilen, aktuell läuft ein Ausschlußverfahren gegen den bisherigen Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, Ralf Weber.

Ziemlich sicher wird Manuela Schwesig auch weiterhin Ministerpräsidentin bleiben. Weniger sicher ist, ob ihr dafür eine Zweier-Koalition noch ausreicht.