© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/21 / 24. September 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Schon früh die Messer wetzen
Paul Rosen

Politik ist ein gnadenloses Geschäft. Die Wahllokale haben noch nicht einmal geöffnet, da gab es bei CDU und CSU bereits ernste Zweifel, ob Armin Laschet am kommenden Dienstag in der ersten Sitzung der neuen Unionsfraktion überhaupt noch zum Fraktionsvorsitzenden mit Anspruch auf Bildung einer Regierung und späterer Kandidat für das Kanzleramt gewählt werden könnte oder ob andere Köpfe die Führung in der Post-Merkel Ära übernehmen sollten.

Laschet hat nicht nur ein Problem mit schlechten Umfragewerten, sondern seine Kandidatur zum Bundestag könnte eventuell erfolglos bleiben. Laschet verzichtete in Nordrhein-Westfalen auf eine Bewerbung um ein Wahlkreismandat, sondern ließ sich nur auf der Landesliste der CDU absichern. Bei unglücklichen Konstellationen, etwa wenn die CDU erheblich mehr Direktwahlkreise gewinnen würde als ihr prozentual nach den Zweitstimmen zustünden, könnte es passieren, daß kein Kandidat von der Liste zum Zuge kommt – nicht einmal der Bewerber auf Platz 1. Das kommt häufiger vor; besonders die CSU hat dies in Bayern schon mehrfach erfahren dürfen. 

Die meisten Beobachter gehen davon aus, daß sich Laschets politische Laufbahn dem Ende zuneigen wird. Sollte die SPD tatsächlich stärkste Fraktion werden und Finanzminister Olaf Scholz Bundeskanzler, würde die Unionsfraktion das Kraftzentrum der beiden Schwesterparteien sein müssen – eine Rolle, die sie unter dem seltsam farblos gebliebenen Ralph Brinkhaus in den letzten drei Jahren nicht spielte.

Einer, der felsenfest davon überzeugt ist, diese Rolle ausfüllen zu können, ist Friedrich Merz, der schon die Oppositionsarbeit als Fraktionschef nach der Niederlage von Helmut Kohl und der Wahl von Gerhard Schröder (SPD) 1998 auf Touren brachte. Doch Merz hat einen mächtigen Widersacher. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder, der sich ohnehin für den besten Kanzlerkandidaten aller Zeiten hält, lehnt Merz als Fraktionsvorsitzenden strikt ab. Merz ist in Söders Augen eine Erscheinung aus der Vor-Merkel-Ära und somit von vorgestern.

Söder bevorzugt angeblich den Außenpolitiker Norbert Röttgen als Fraktionschef, weil er diesen für zu schwach hält, eine Kanzlerkandidatur des Bayern in vier Jahren zu verhindern. Gegen Söders Willen wird übrigens niemand Fraktionsvorsitzender der Union, denn die Parteivorsitzenden von CDU und CSU müssen den Vorsitzenden der gemeinsamen Fraktion zusammen vorschlagen. Ein anderer Aspirant auf höchste Positionen, Gesundheitsminister Jens Spahn, ist inzwischen wegen der vielen Fehler und Versäumnisse in der Corona-Bekämpfung aus dem Rennen ausgeschieden.

Ganz die Hoffnung aufgegeben hat die Union allerdings noch nicht. Volker Bouffier, hessischer Ministerpräsident, tröstet sich noch mit einer Vermutung: „Selbstverständlich können auch zweitplazierte Parteien versuchen, eine Regierung zu bilden.“