© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/21 / 24. September 2021

Die neue Dolchstoßlegende
Pazifik-Sicherheitspakt: Paris erzürnt über Australiens Kehrtwende beim „Jahrhundertvertrag“
Friedrich-Thorsten Müller

Wie ein Blitz schlug vergangene Woche Mittwoch im politischen Paris die Nachricht von der neuen Sicherheitspartnerschaft „AUKUS“ zwischen den USA, Großbritannien und Australien ein. In einer gemeinsamen Mitteilung von US-Präsident Joe Biden, dem britischen Premier Boris Johnson und dem australischen Regierungschef Scott Morrison wurde darüber hinaus mitgeteilt, daß die USA strenggeheimes Rüstungswissen mit Australien teilen werden. 

Dadurch solle das Land in die Lage versetzt werden, acht hochmoderne, atomar angetriebene U-Boote der Virginia- und Astute-Klasse zukünftig in Adelaide selbst zu bauen. Im selben Atemzug erfuhren die Franzosen, daß ein 2016 vom Staatskonzern Naval-Group gewonnener Auftrag über zwölf konventionelle U-Boote, die ebenfalls zumindest teilweise in Australien hätten produziert werden sollen, storniert werde. Frankreich verliert damit ein als „Jahrhundertvertrag“ bezeichnetes Rüstungsgeschäft mit einem Volumen von bis zu 56 Milliarden Euro, das ab 2030 hätte realisiert werden sollen.

Präsident Biden begründete die neue Kooperation mit einer sich „rasch entwickelnden Bedrohung“ im Pazifikraum, womit er auf den Machtzuwachs Chinas anspielte. Auch Australien sieht den Strategiewechsel hin zu atomar angetriebenen und größeren U-Booten, als bisher geplant, als Antwort auf diese veränderte Sicherheitslage. Es wird aber damit gerechnet, daß die Australier 10 bis 20 Jahre brauchen werden, um diese Atom-U-Boote zu bauen, da sie bisher über keine Atomtechnik verfügen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich sehr verärgert über diese Entscheidung und die Art ihrer Kommunikation. Noch am 30. August gab es eine gemeinsame Erklärung der französischen und australischen Außen- und Verteidigungsministerien, in der das U-Boot-Geschäft mit Frankreich als „wichtiger Pfeiler einer Sicherheitspartnerschaft“ erwähnt wurde. Durch die 1.300 Kilometer von Australien entfernt liegende französische Überseebesitzung Neukaledonien haben die beiden Länder sehr starke gemeinsame Sicherheitsinteressen. Großbritannien spielt östlich der Straße von Malakka dagegen seit dem Verlust Hongkongs 1997 keine Rolle mehr. 

Als noch katastrophaler wird in Paris aber die Kommunikation Washingtons empfunden: Erst kürzlich hatten die USA mit ihrem kaum mit den Verbündeten koordinierten Afghanistan-Abzug für Befremden gesorgt. 

US-Präsident Joe Biden will Wogen glätten  

Nun konfrontierte Washington Frankreich im Pazifik mit einem neuen Bündnis, zu dem man dem dort mitbetroffenen Nato-Partner von amerikanischer Seite offenbar bewußt kein Kooperationsangebot unterbreitet hat. Zuletzt am 25. Juni und am 14. Juli hatte Frankreichs Außenminister Le Drian seinen US-Kollegen Blinken zu den Plänen im Pazifik befragt und keine klare Antwort erhalten. In Frankreich fragt man sich inzwischen, was sich seit der Präsidentschaft Trumps überhaupt verbessert habe, Außenminister Jean-Yves Le Drian spricht gar von einem „Dolchstoß“. In der Konsequenz bestellte Frankreich darum inzwischen seine Botschafter aus Washington und Canberra zum Rapport ein. Le Drian bezeichnete das Vorgehen als einen „symbolischen Akt“. Allerdings geschah dies damit gegenüber den USA zum ersten Mal seit 1793. Auch ein für die kommenden Tage geplantes Treffen zwischen Verteidigungsministerin Florence Parly und ihrem britischen Kollegen Ben Wallace haben die Franzosen inzwischen verärgert platzen lassen. Frankreichs Außenminister Le Drian sprach am Wochenende gegenüber dem Sender France 2 nicht nur von „schwerem Vertrauensbruch“ und „Vertragsbruch“, sondern auch von einer „Belastung für die Nato“. 

 Kommentar Seite 2