© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/21 / 24. September 2021

Grüße aus … Bozen
In den Händen der Bürger
Paul Decarli

Demokratie, besonders direkte Demokratie, löst immer wieder Meinungsdispute aus – so auch in den vergangenen Wochen in Südtirol. Anlaß dafür waren nicht etwa die neuen Corona-Verordnungen, sondern ein Gesetzesentwurf zur Abschaffung eines Großteils der direktdemokratischen Teilhabeinstrumente. Die geltenden Regelungen in diesem Bereich sind erst seit drei Jahren in Kraft. Mit der Reform des Autonomiestatutes im Jahr 2001 hatte das Land Südtirol vom italienischen Parlament die Kompetenzen zur Regelung der Direkten Demokratie auf Landesebene erhalten. 

Viele Politiker der liberal-koservativen Mehrheitspartei Südtiroler Volkspartei (SVP), welche von der stark vorherrschenden Konkordanzdemokratie geprägt war, konnten mit diesem Mittel der Bürgerbeteiligung nur wenig anfangen. Entsprechend mau fiel auch das erste Südtiroler Landesgesetz im Jahr 2005 aus, welches der darin enthaltenen gesetzeseinführenden Volksabstimmung durch hohe Hürden bei der Teilnahme praktisch die Zähne zog. In den folgenden 13 Jahren kamen nur eine Handvoll von Volksbegehren und Volksabstimmungen zustande. 2018 stimmte eine überparteiliche Mehrheit im Südtiroler Landtag schließlich dafür, das Gesetz durch eine der direkten Demokratie näherstehende Bestimmung abzulösen. 

Bis zum 30. September müssen die Südtiroler mindestens 10.000 Unterschriften sammeln. 

Die neue Gesetzesnorm beinhaltete eine umfassende Erweiterung der Beteiligungsmöglichkeiten für die Südtiroler. So auch das Instrument des bestätigenden Referendums. Obwohl seitdem von seiten der Bürgerschaft keines der neuen direktdemokratischen Mittel eingesetzt wurde, liegt nun nach knapp drei Jahren ein Gesetzentwurf zu deren Abschaffung auf dem Tisch. Das in der Diskussion auch „Noggler-Gesetz“ genannte Vorhaben verweist auf den Mann, der den Anstoß gegeben hat: einen SVP-Abgeordneten. Aus allen Richtungen regte sich im Landtag sogleich Widerstand gegen dessen Pläne. 

Auch ein engagierter Teil der Südtiroler Bürger wehrt sich entschieden gegen das Vorhaben, allen voran das Bündnis „Rettet das Referendum“, das ursprünglich von der „Initiative für mehr Demokratie“ getragen wurde. Mittlerweile wird das Bündnis von 37 weiteren Südtiroler Vereinen unterstützt. Das Protestmittel, dessen sich die Bürger bedienen, ist eines aus dem Lehrbuch der Direkten Demokratie, nämlich die Volkabstimmung. Konkret müssen zum Erhalt des Gesetzes in seiner derzeitigen Form bis zum 30. September mindestens 10.000 beglaubigte Unterschriften gesammelt werden. Es liegt also in den Händen der Bürger, sich ihre direkten Mitbestimmungsrechte nicht nehmen zu lassen. Wäre die Situation nicht so verfahren, könnte man fast darüber schmunzeln.