© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/21 / 24. September 2021

Freiheit, Leistung, Sicherheit
Landtagswahl in Oberösterreich: Freiheitliche fiebern ihrem zweitbesten Ergebnis in der Landesgeschichte entgegen
Robert Willacker

Das „Land ob der Enns“, wie Oberösterreich auch genannt wird, ist in mancherlei Hinsicht ein Gallisches Dorf, in dem man sich erfolgreich gegen politische Trends aus dem Rest Österreichs zur Wehr setzt. Der Fortbestand einer dieser Besonderheiten steht nun am 29. September zur Wahl: die einzige FPÖ-Koalition, die „Ibiza“ überlebt hat. 

Doch der Reihe nach: Oberösterreich wird im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern noch im Proporzsystem regiert, das heißt, daß jede Partei ab einem bestimmten Stimmenanteil automatisch ein Regierungsmitglied – genannt „Landesrat“ – stellt. In der Praxis führt dieses System dazu, daß nahezu alle Beschlüsse einstimmig gefaßt werden und eine Opposition im klassischen Sinne nicht existiert, wenngleich es in den Landtagssitzungen durchaus lebhafte Debatten gibt. 

Zwar entfällt durch das Proporzsystem die klassische Koalitionsbildung, jedoch wird zum Zwecke der Kontinuität in der Regierungsarbeit zu Beginn der Legislaturperiode ein sogenanntes Arbeitsübereinkommen zwischen in der Regel zwei Parteien geschlossen, was von der Bevölkerung als vollwertige Regierungskoalition wahrgenommen wird. 

Gradmesser, inwieweit der Ibiza-Skandal abgeschlossen ist 

In der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode bestand dieses Übereinkommen zwischen der christlich-konservativen ÖVP und der national-freiheitlichen FPÖ. Nach Bekanntwerden des „Ibiza-Videos“ rund um Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache im Jahr 2019 und dem darauffolgenden Ende der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung gilt die Landtagswahl in Oberösterreich und die anschließende Regierungsbildung auch als ein Gradmesser dafür, inwieweit der gesamte Ibiza-Komplex als abgeschlossen angesehen werden kann.  

Die aktuellen Umfragen lassen erwarten, daß die ÖVP nach einem historisch schlechten Ergebnis von rund 36 Prozent im Jahr 2015 wieder zulegen kann und um den Sprung über die 40-Prozent-Marke kämpft. Im Lager der Freiheitlichen rechnet man hingegen mit moderaten Verlusten, die Enttäuschung darüber hält sich jedoch in Grenzen, wie der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT versichert. Der Grund: bei der Wahl im Herbst 2015, auf dem Höhepunkt der Migrationskrise, konnte man den Stimmenanteil von rund 15 Prozent im Jahr 2009 auf rund 30 Prozent verdoppeln. Es sei schlichtweg unrealistisch, daß man dieses Ergebnis werde halten können, so Haimbuchner. Sein Ziel sei es, die Partei über 20 Prozent zu stabilisieren und den zweiten Platz vor den Sozialdemokraten zu verteidigen. 

Nach einem intensiven Wahlkampf, der sich vorrangig um die Themen Freiheit, Leistung und Sicherheit drehte, sehen aktuelle Umfragen die FPÖ in Oberösterreich deutlich über dem Bundestrend bei rund 25 Prozent. Damit fiebern die Freiheitlichen trotz leichten Stimmeneinbußen ihrem zweitbesten Ergebnis in der Landesgeschichte entgegen. 

Mit guten Umfragewerten im Rücken hat sich die FPÖ dann auch im Vorfeld der Parlamentswahl für ös-terreichische Verhältnisse ungewöhnlich deutlich für eine Fortführung des Arbeitsübereinkommens mit der ÖVP ausgesprochen. 

Impfgegnerpartei MFG kratzt an Fünfprozenthürde 

Haimbuchner hierzu gegenüber der jungen freiheit: „Wir haben in den vergangenen sechs Jahren durchwegs sachlich und unaufgeregt mit der ÖVP regiert und konnten viele unserer Kernanliegen, etwa in den Bereichen Migration, Wohnen und Verkehr durchsetzen. Da wäre es absolut widersinnig und den Wählern auch nicht zu erklären, wenn wir diese gute Arbeit nicht fortsetzen würden.“ Etwas zurückhaltender gibt man sich diesbezüglich im Lager der ÖVP. So ließ der oberösterreichische Regierungschef Thomas Stelzer, kürzlich wissen, daß man zunächst die Wahl abwarten und sich dann Gedanken über verschiedene Optionen der Zusammenarbeit machen wolle. Aller Voraussicht nach wäre für die Christlich-Konservativen wohl unter anderem eine Koalition mit den Grünen rechnerisch machbar, wie sie derzeit im Bund re-giert und wie es sie in Oberösterreich auch bereits in den Jahren zwischen 2003 und 2015 gab. 

Für eine über Oberösterreich hinausreichende Überraschung könnte die Partei Menschen-Freiheit-Grundrechte (MFG) sorgen, die aktuellen Umfragen zufolge um den Sprung über die Fünfprozenthürde kämpft. Bei MFG handelt es sich um eine erst in diesem Jahr gegründete Partei aus dem Lager der Impfgegner-Bewegung, die zum Teil Stimmen aus dem freiheitlichen Lager, aber auch stark von Linken wie den Grünen generieren dürfte. 

Foto: Oberösterreichs Ministerpräsident Thomas Stelzer (l.), Christine Haberlander (beide ÖVP) und Manfred Haimbuchner (FPÖ): „Sachliche und unaufgeregte“ Regierungspartner