© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/21 / 24. September 2021

Abseits moralischer Standards
Comedy: Die Fernsehserie „jerks.“ besticht mit bewußten Grenzüberschreitungen. Jetzt startete die 4. Staffel
Eric Steinberg

Die deutsche Comedy-Filmlandschaft ist von Wohlfühlhumor gezeichnet. Das Publikum mußte in den vergangenen Jahren einiges über sich ergehen lassen: „Keinohrhasen“, „Fack ju Göthe“ oder auch „Männerherzen“. Grenzüberschreitungen kannten die Zuschauer seit dem Ende von Ralf Husmanns Meisterwerk „Stromberg“ nicht mehr. Seitdem 2017 die erste Folge der Serie „jerks.“ veröffentlicht wurde, hat sich das geändert. Auch in der neuen, vierten Staffel sorgen Christian Ulmen und Fahri Yardim wieder für Kontroversen und Momente des Fremdschämens. 

Provokation und unmoralisches Verhalten sind der tragende Pfeiler der Produktion. Es gibt kaum ein gesellschaftliches Tabuthema, das „jerks.“ nicht behandelt. So erwischte der Zuschauer die beiden Freunde in den Folgen bereits beim Masturbieren, dem Verzehr von Menschenfleisch oder auch beim Konsum von Heroin. „Das Unaussprechliche hat oft mit Themen zu tun, die mit Intimität oder dem Bruch von gesellschaftlichen Konventionen einhergehen“, sagte Yardim in einem Interview mit Focus Online. 

Zusammen mit Ulmen spielt er eine der Hauptrollen in der Buddy-Serie, in der die beiden sich selbst darstellen. Zwei unzertrennliche Freunde, die von einem Fettnäpfchen ins nächste stapfen. Und doch könnten sie in „jerks.“ nicht unterschiedlicher sein: Fahri, ein Draufgänger mit Migrationshintergrund, und Christian, ein zurückhaltender Tollpatsch. Was beide vereint ist der Hang zur Lüge, mit dem sie sich regelmäßig in Schwierigkeiten bringen. 

Im realen Leben läuft es für das Duo geregelter. Ulmen ist seit 2011 mit der Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes verheiratet, die in der Serie seine Ex-Frau spielt. Er selbst führt die Regie von „jerks.“ und ist mittlerweile an der Produktion beteiligt. Yardim ist seit 2016 mit der PR-Managerin Beatrix Scherff zusammen. Zwischen Privatmensch und Serienfigur zu unterscheiden, sei nicht immer leicht: „Die Schauspielerei hat meine Selbstwahrnehmung durcheinandergebracht. Es gibt keinen klaren Anker mehr zu einem eigentlichen Selbst. Es ist alles ein einziger großer Thermomix aus Anteilen, Facetten, Abgründen und Zivilisationskrankheiten“, sagte Yardim dem Stern. 

Seit dem Ende der dritten Staffel im Dezember 2019 mußten sich die zahlreichen Fans des Serienhits lange gedulden. Das Warten hat sich gelohnt: Auch die vierte Staffel strotzt nur so vor unangenehmen Situationen. Fahri ist gezwungen, den angeblichen Mißbrauch seiner Mutter aufzuarbeiten und die Beziehung zu seiner Freundin Pheline zu retten. Christian sieht sich mit einem schlimmeren Verlust konfrontiert: dem Tod seiner Freundin Emily. 

Die Macher der Serie stören sich nicht an moralischer Korrektheit und gehen bewußt über den wunden Punkt hinaus. „jerks.“ zeigt ein Abbild gesellschaftlicher Wirklichkeit – mit einer Note Überspitztheit. Die Serie ist ehrlicher und blendet auch abstoßende Facetten nicht aus: Unehrlichkeit, Feigheit, Arroganz, Faulheit oder auch Diskriminierung.  

Im Gegensatz zu woken Netflix-Produktionen scheuen sich die Filmemacher nicht, diese häßliche Fratze glaubhaft mit der Kamera einzufangen. Das Besondere dabei: Sie verzichten auf einen versteckten Erziehungsauftrag. 

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