© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/21 / 24. September 2021

Eine neue Realität schaffen
Netflix: Der Streaming-Dienst setzt in seinen Serien auf Diversity und Regenbogenideologie
Eric Steinberg

Sätze wie aus der neuen, fünften Staffel der Netflix-Erfolgsserie „Haus des Geldes“ sind beim Streaming-Riesen nichts Besonderes mehr: „Mit fünf Jahren bin ich zu meinem Vater gegangen und habe gesagt: ‘Papi, ich will deine Tochter sein’. Er sah mich an und sagte in einem strengen Ton: ‘Hör mal Juan, du bist ein Mann und ein Mann kann keine Tochter sein.’“ Charakter Manila spricht in der Szene über ihr Coming-out als transsexuelle Person und die damit verbundenen Schwierigkeiten. 

Was nicht nach einem besonders ungewöhnlichen Handlungsstrang neuer Produktionen des Medienunternehmens klingt, ist in Wahrheit das Resultat von Identitätspolitik. Gesellschaftliche Minderheiten sichtbar zu machen, ist für den Streaming-Anbieter in den letzten Jahren zur Bestimmung geworden. Aufgeboten wird alles, was nicht dem Standard entspricht – zum Ärger einiger Zuschauer.

Entweder kündigen oder die bunte Vielfalt erdulden

Für Unmut sorgte in jüngster Vergangenheit die US-amerikanische Eigenproduktion „Bridgerton“ von Chris Van Dusen. Serien über Königshäuser und den gut betuchten Adel sind längst zum Publikumsmagneten der On-Demand-Dienste geworden. „Bridgertons“ historische Zauberwelt aus Klatsch und viel Kulisse weist allerdings einen entscheidenden Unterschied zur Konkurrenz auf: Viele der Hauptprotagonisten sind schwarz. Dieses Prinzip des „Colorblind Castings“, in dem nicht auf ethnische Zugehörigkeit und Hautfarbe geachtet wird, verärgerte die Zuschauer. Mit einer dunkelhäutigen Queen konnten sich viele nicht anfreunden. Nicht aus rassistischen Motiven, sondern weil Netflix ganz bewußt die historische Komponente der Serie ausblendete: In der britischen High-Society des frühen 19. Jahrhunderts waren es vorwiegend Weiße, die den Ton angaben. 

Unter dem Motto „Black Lives Matter“ eröffnete der Streaming-Riese vor einiger Zeit gar eine eigene Film- und Seriensammlung, die sich mit dem Thema Rassismus in den USA beschäftigt. Darunter finden sich neben einer Dokumentation über das Leben von Michelle Obama unzählige Geschichten über Erfahrungen mit Alltagsrassismus. Die „Black Lives Matter“-Bewegung selbst sorgte in den vergangenen Monaten immer wieder für negative Schlagzeilen. Während der Demonstrationen der Antirassismus-Vorkämpfer kam es nicht selten zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, Plünderungen und Randale. 

Zusätzlich hat Netflix noch eine weitere Kategorie zu seinem Portfolio hinzugefügt: „LGBTQ“. Das ist die Abkürzung für Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle, Transsexuelle und queere Personen. In der Kategorie finden sich auch einige Zugpferde der Plattform wie die Serie „Élite“. Erst vor kurzem bekam sie eine vierte Staffel. Thematisiert wird dort das aufregende Leben spanischer Schüler, die gemeinsam die Eliteschule „Las Encinas“ besuchen. 

Im vierten Teil der Serie gesellten sich nun vier neue Mitschüler zu den altbekannten Charakteren. Zwei davon sind heterosexuell, einer homosexuell und eine weitere bisexuell. Bereits in den älteren Episoden setzte die Produktion der beiden Drehbuchautoren Carlos Montero und Darío Madrona auf Diversität. Die Charaktere in der Eigenproduktion des Streaming-Anbieters können etwa zur Hälfte dem Bereich „LGBTQ“ zugeordnet werden. Im Gegensatz zum gesellschaftlichen Hetero-Durchschnitt eine Überladung.

Einigen „Diversity“-Kämpfern reichte diese Vielfalt jedoch noch nicht. Das Homosexuellen-Magazin Mannschaft kritisierte auf seiner Website: „Die tabulose Darstellung von Sexualität gehört zu den Markenzeichen von ‘Élite’. Selbstverständlich verlieben sich hier Männer in Männer und Frauen in Frauen. Homofeindlichkeit gibt es auf ‘Las Encinas’ jedenfalls nicht. Dafür sind selbst die Figuren, die im Hintergrund über die Schulflure schlendern, rank und schlank. Hier hätte etwas mehr Diversität gutgetan.“ Statt mehr ungesundem Übergewicht gab es anderweitigen Trost für die Kritiker: Die Serie präsentierte in den vergangenen Staffeln einige Muslime, die bekanntlich ebenfalls zum Minderheitenkosmos der Identitätspolitiker gehören. 

Netflix möchte mit seiner Programmauswahl zu den Guten gehören. Die Anbiederung an linke Vielfaltsvorstellungen ist deshalb nicht verwunderlich. Daß andere Inhalte dadurch auf der Strecke bleiben, scheint den Streaming-Riesen wenig zu interessieren. Abonnenten des Dienstes, die sich an der Ausrichtung der Inhalte stören, haben keine Einflußmöglichkeiten. Kündigen – oder Vielfalt erdulden.