© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/21 / 24. September 2021

„Rassistische Untertöne“
„Kulturschaffende“ zeigen Solidarität mit Moderatorin: WDR setzt Zusammenarbeit mit Nemi El-Hassan aus
Gil Barkei

Nachdem vergangene Woche bekanntgeworden war, daß die palästinensische Moderatorin Nemi El-Hassan 2014 am israelfeindlichen Al-Quds-Marsch in Berlin teilgenommen und den Begriff „Dschihad“ verharmlost hatte (JF 38/21), gab sich der WDR zunächst abwiegelnd. Doch nun hat die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt die Zusammenarbeit mit der Medizinerin für die Wissenschaftssendung „Quarks“ vorerst ausgesetzt. „Die Vorwürfe gegen sie wiegen schwer. Es wiegt aber auch schwer, einer jungen Journalistin eine berufliche Entwicklung zu verwehren. Deshalb ist eine sorgfältige Prüfung geboten“, teilte der WDR unter anderem auf eine JF-Anfrage mit. Auch weil El-Hassan den Sender über weitere Demonstrationsteilnahmen informiert hat. Zudem hatte sie die Blaue Moschee in Hamburg besucht. Diese gilt als Brückenkopf des Mullah-Regimes im Iran und unterhält laut dem Landesverfassungsschutz Kontakte zur Terrororganisation Hisbollah.

El-Hassan selbst entschuldigte sich für ihr früheres Verhalten. Im Gegensatz zu einer ersten Stellungnahme bei Instagram, in der sie betonte, während der Demo „keinesfalls“ antisemitische Rufe von sich gegeben zu haben, erklärte sie wenige Tage später, nicht ausschließen zu können, beim Al-Quds-Marsch israelfeindliche Parolen gerufen zu haben. „In meiner Erinnerung habe ich lange geglaubt, nur Dinge wie ‘Free Gaza’ gerufen zu haben. Jetzt, wo ich diese Zeit meines Lebens reflektiere, kann ich nicht ausschließen, Dinge gesagt zu haben, die antizionistisch sind und Israelfeindlichkeit bedienen“, sagte sie dem Spiegel. Auf den Tag genau könne sie die Ereignisse nicht rekonstruieren. Sie habe diese ganze Phase ihres Lebens „komplett verdrängt“.

Mehr als 400 Journalisten und „Kulturschaffende“ wie Igor Levit oder Carolin Emcke zeigen derweil ihre Solidarität mit der 28jährigen und fordern in einem offenen Brief vom WDR, die Zusammenarbeit „wie ursprünglich geplant wieder aufzunehmen“. Die Debatte zeige „rassistische Untertöne“ und habe „jegliches Maß und Mitte verloren“.