© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/21 / 24. September 2021

Teure Schäden in der Ökoaue
Der Biber kehrt zurück, aber der vierbeinige Systemingenieur ist nicht überall willkommen
Dieter Menke

Eines der Fotos, die Annegret Larsens Studie über den „Einfluß des Bibers auf Sedimenttransport und Auenökosysteme“ illustrieren, zeigt einen eurasischen Vertreter dieser Art (Castor fiber) bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Fällen von Bäumen (Geographische Rundschau, 7-8/21). Das wäre nicht weiter bemerkenswert, wenn nicht in unmittelbarer Nähe des an der alten Donau in Wien aufgenommenen Nagers Spaziergänger schlenderten, ohne von dem Tier Notiz zu nehmen, welches sich seinerseits von ihnen nicht gestört fühlt.

Der Biber hat sich, wie Luchs und Wolf, von EU-Umweltpolitikern nicht zweimal bitten lassen, am Experiment, „mehr Wildnis“ zu wagen, teilzunehmen. Für Larsen, die an der niederländischen Universität Wageningen zur Bodengeographie forscht, ist das eine gute Nachricht. Denn Castor fiber ist eine „Schlüsselart“, eine, deren Wiederansiedlung Lebensraum für viele andere Arten schafft. Dies erreicht Meister Bockert durch Stauung und Umleitung von Fließgewässern, was wiederum eine „Vielzahl von Ökosystemrückkoppelungen“ nach sich zieht. Allerdings auch, wie Larsen bei aller Begeisterung für den um 1980 in West- und Mitteleu­ropa nahezu ausgerotteten Rückkehrer einräumt, eine „Vielzahl von Konflikten“ mit Menschen verursacht, die „Biber-Erwartungsland“ agrarisch oder forstlich nutzen. Sorgt der vierbeinige Ökosystemingenieur mit seinen Dammbauten doch für weiträumige Überschwemmungen von Wiesen und Wäldern.

Vor allem in Deutschland siedeln sich Biber bevorzugt in bewaldeten flußnahen Räumen an. Dort werden von ihnen dann zumeist Weiden, Pappeln, Birken und Erlen gefällt, um als Material für ihre Burgen und Dämme zu dienen, die die Geschwindigkeit des fließenden Wassers verringern, so daß Biberteiche und -wiesen entstehen. Durch den steigenden Wasserstand in diesen Auenbiotopen stirbt aber der Waldbestand ab, Wiesen versumpfen.

Ein gern zugunsten solcher „Transformationen“ vorgebrachtes Argument, Biberteiche und Auen würden die Hochwasserkurve abflachen, muß Larsen entkräften. Biberteiche speichern kaum zusätzliches Wasser, ihr Einfluß auf Hochwasserereignisse bleibe daher gering. Aber ein anderer Effekt dürfte unter dem Aspekt „Klimawandel“ von Bedeutung sein. Die Biotope des Bibers halten während sommerlicher Trockenperioden das Wasser in der Landschaft, bilden Refugien für zahlreiche Tierarten und erhöhen die Kohlenstoffspeicherung der Auen. Darin ist eine Bestätigung der Regel zu sehen, daß dort, wo der Biber wirke, die Biodiversität steige. Zudem stellen Biberdämme „naturbasierte Lösungen“ dar, um die Herausforderungen der Flußrenaturierung zu bewältigen.

Was jedoch viel Platz braucht, womit weitere Konflikte etwa mit Land- und Forstwirten vorprogrammiert seien. Denn der Bundesfinanzzhof sieht in seinem Urteil von Oktober 2020 (VI R 42/18) in einem Biberschaden keine „außergewöhnliche Belastung“. Zumindst für private Grundstücksbesitzer und Bauern, die ihren Gewinn pauschal ermitteln. Nur Unternehmen und Vermieter können die Reparaturkosten geltend machen.

Biberurteil des Bundesfinanzhofs: www.bundesfinanzhof.de