© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/21 / 01. Oktober 2021

Immobilie der Woche
Viel Jubel für nichts
Alexander Graf

Groß war der Jubel im Juni bei Nord-rhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). Nach der Razzia gegen einen bekannten Clan in Leverkusen verkündete er: „Wir haben hier heute nicht nur ein hochkarätiges Clan-Mitglied festgenommen, sondern ihm auch das Zuhause weggenommen. Die Villa in Leverkusen gehört schon in wenigen Stunden nicht mehr den Kriminellen.“ Das sei ein „Schlag gegen die erste Liga der Clan-Kriminalität“ gewesen. Drei Monate später stellt sich die Sache anders dar. Angehörige der Großfamilie residieren immer noch in dem Anwesen, das laut Ermittlern mehr als eine Million Euro Wert sein soll, wie der WDR berichtete. Justizminister Peter Biesenbach (CDU) mußte in seinem Bericht an den Rechtsausschuß nun einräumen, daß die Bewohner, gegen die wegen des Verdachts auf Sozialleistungsbetrug ermittelt wird, auch keine Miete an den Staat zahlen müssen. Es sei sogar nicht auszuschließen, daß sie weiter Sozialleistungen kassierten. Aus Datenschutzgründen könne er darüber keine Auskunft geben, lautete seine Erklärung. Reul mußte nun einräumen: „Wir haben alles unternommen, was möglich ist. Jetzt muß der Rechtsstaat handeln.“ Bei der Razzia vor drei Monaten hatten Ermittler in der Villa scharfe Schußwaffen und Bargeld in sechsstelliger Höhe gefunden. Ziel der Polizeiaktion war ein ranghohes Mitglied der Großfamilie. Schon kurz danach war die groß angekündigte Wegnahme des Hauses ins Stocken geraten. Lokalmedien hatten berichtet, daß es keine Eigentumsumschreibung gegeben habe, sondern nur ein Veräußerungsverbot. Das heißt: Die Villa gehört nach wie vor dem Clan, seine Angehörigen wohnen weiterhin dort. Sie können das Gebäude lediglich nicht ohne Zustimmung des Landes verkaufen. Statt eines erstklassigen Schlages gegen die Clan-Kriminalität war es wohl doch nur Agieren auf Zweitliga-Niveau.