© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/21 / 01. Oktober 2021

Bruder Zwist
Katholische Kirche: Bischöfe uneins über „Synodalen Weg“
Gernot Facius

Passé sind die Zeiten, da die katholische Deutsche Bischofskonferenz (DBK) in den Medien noch als einheitlicher „schwarzer Block“ beschrieben wurde. Die diesjährige Herbstvollversammlung in Fulda präsentierte ein anderes Bild des Episkopats: Der vom Konferenzvorsitzenden, Limburgs Bischof Georg Bätzing, forcierte „Reformkurs“ läßt die internen Spannungen offen zutage treten. Bätzing setzt auf den „Synodalen Weg“, der zu klaren Zeichen der Veränderung führen soll, etwa wenn es um die Rolle der Frau in der Kirche und die Sexualmoral geht. Die Sexualmoral solle nicht als „Verbotsmoral“ bei den Menschen ankommen.

Ob das auch seine Amtsbrüder so sehen, ist allerdings fraglich – das räumte auch Bätzing ein. Er gab die Parole aus: Weder dem Zeitgeist folgen noch sich verschließen. Es gehe darum, die Kernanliegen der Kirche von ihrem Ursprung her in eine neue Zeit mit neuen Bedingungen und Anforderungen zu tragen. „Das aber soll weder auf eine ‘zeitgeistige’ Selbstverlorenheit noch auf ein ängstlich-traditionalistisches Sich-in-sich-selbst-Verschließen hinauslaufen.“ 

Der Limburger Oberhirte sprach von einer unerläßlichen „radikalen Wende“, die die Bischöfe in ihrem Wirken und in ihrem Amtsverständnis vollziehen müßten. Sein Appell: „Kehrt um! Denkt neu!“ Ob er damit die unterschiedlichen Lager befrieden kann, das blieb in der Stadt mit dem Grab des heiligen Bonifatius offen. Drei Wahlgänge brauchte in Fulda der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, um mit einfacher Mehrheit an die Spitze der Glaubenskommission zu gelangen. Die Tagespost, Sprachrohr des konservativen Kirchenflügels, erkannte darin ein Zeichen für die zunehmende Unzufriedenheit mit dem Mehrheitskurs und die „Einseitigkeit des Synodalen Weges“. Tenor ihres Berichts: „Das Personalkarussell der Bischöfe dreht sich nach links.“ Immerhin: Mit 24 Stimmen entfielen auf den Regensburger Oberhirten Rudolf Voderholzer deutlich mehr Stimmen als bei den Kommissionswahlen vor fünf Jahren. 

Voderholzer gehört mit dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zu den prominenten Kritikern des Reformprojekts, das die Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) 2019 gestartet haben. Er hält es mit Blick auf den Vatikan und die Weltkirche für falsch, „wenn wir die Dinge immer so weit treiben, daß Rom gezwungen ist, nein zu sagen, um die Einheit der Kirche zu wahren“. Voderholzers Motto: Synodaler Weg ja, aber bitte anders. Und darin wird er von dem emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper unterstützt. Kasper, der ehemalige vatikanische „Ökumeneminister“, vormals Bischof von Rottenburg-Stuttgart, warnte vor einem Versuch, „Kirche mit Hilfe eines gelehrten theologischen Theoriegebäudes neu zu erfinden“, an dessen Ende sich viele fragen, „ob das alles noch katholisch ist“. 

Papst verordnet Kölns Erzbischof eine Auszeit

Es sind, wie man sieht, keine guten Zeiten für den DBK-Vorsitzenden Bätzing. Zumal das Thema des sexuellen Mißbrauchs in der Kirche noch nicht aus der Welt geschafft ist. Peter Henselder, Mitglied im Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln, erinnerte an Bätzings frühere Tätigkeit als Generalvikar des Trierer Bischofs: „Aus dieser Zeit sind Mißbrauchsfälle bekannt. Wußte Bätzing etwas? Hat er vertuscht? Bis zur Klärung sollte er den Vorsitz der DBK ruhen lassen und den Mißbrauch sowohl in Limburg als auch in Trier aufklären.“ Henselder stellte dagegen Kardinal Woelki ein gutes Zeugnis aus: „Er hat die Aufarbeitung so weit betrieben wie kein anderes Bistum, ist eigentlich der Aufklärer schlechthin.“ Der Kardinal habe als erster einen Beirat eingerichtet, mit dem Gutachten der Kanzlei Gercke als bisher einziger ein ungekürztes und ungeschwärztes derartiges Dokument veröffentlicht. „Kein anderes Bistum hat das bisher gemacht.“ Die Causa Woelki war an den Konferenztagen in Fulda offiziell kein Thema. Aber überall wurde über sie geredet, Gerüchte kursierten in den Sitzungsräumen und auf den Fluren. Signale aus Rom gab es noch nicht. Auch der sonst so redselige DBK-Vorsitzende hielt sich zurück: „Köln war für uns kein Thema, aus dem schlichten Grund, weil es keine neue Nachricht gibt. Ich kann Ihnen nichts sagen, ich habe nichts zu sagen. Wir warten auf eine Entscheidung, die in Rom getroffen wird.“ 

Und diese Entscheidung wurde dann am Freitag vormittag vergangener Woche publik: Der Papst beläßt den Kölner Kardinal im Amt – mit einer mehrmonatigen Bedenkzeit. Wie es hieß, nehme Woelki auf eigenen Wunsch eine „Auszeit“ von Mitte Oktober bis zum Beginn der Fastenzeit Anfang März nächsten Jahres. Es habe sich kein Hinweis darauf ergeben, daß er im Umgang mit Fällen sexueller Gewalt rechtswidrig gehandelt habe, wird in der römischen Erklärung betont. Ob das zu einer Befriedung der kritischen Situation in Köln beiträgt, wurde allerdings vielerorts bezweifelt. Das Kirchenoberhaupt hatte Ende Mai eine Apostolische Visitation des Erzbistums Köln angeordnet und den Stockholmer Kardinal Anders Arborelius und den Rotterdamer Bischof Johannes van den Hende damit beauftragt. Die Visitatoren hatten den Auftrag, sich ein Bild von der „komplexen pastoralen Situation“ am Rhein zu machen und eventuelles Kölner Fehlverhalten im Umgang mit Fällen von sexualisierter Gewalt zu untersuchen. Schon Mitte Juni war die Visitation beendet. 

Foto: Kardinal Woelki und Bischof Gerber: Rom nicht immer zwingen, nein zu sagen