© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/21 / 01. Oktober 2021

Keine Pinke ohne Pieks
Gesundheitsminister: Künftig haben nur Geimpfte Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn sie in Quarantäne müssen / Kritik von Gewerkschaften
Peter Freitag

Spätestens ab dem 1. November, so der Beschluß der Gesundheitsminister von Bund und Ländern, sollen Ungeimpfte nicht mehr für Verdienstausfälle bei einer Corona-Quarantäne entschädigt werden. Einzelne Bundesländer, beispielsweise Niedersachsen, wollen diese Zahlungen bereits am 11. Oktober einstellen. 

Es gehe nicht darum, Druck auf Impfunwillige auszuüben, sondern es sei eine Frage der Fairneß, argumentierte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Diejenigen, die sich und andere durch eine Impfung schützen, hätten die berechtigte Frage, warum sie für andere, die nicht geimpft seien, mitzahlen. Kritik an dieser neuen Regelung übte nicht nur die Opposition, sondern sie kommt unter anderem auch aus den Gewerkschaften und den Sozialverbänden, die vor einer Impflicht durch die Hintertür warnten. Alice Weidel (AfD) hielt den Gesundheitsministern vor, „die Gesellschaft  weiter in Geimpfte und Ungeimpfte“ zu spalten  und den Impfdruck zu erhöhen. Sie forderte die Unternehmer auf, sich solidarisch mit ihren Arbeitnehmern zu zeigen und den Lohn während der Quarantäne auch ohne staatliche Erstattung fortzuzahlen. 

Auch der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, warnte davor, mit solchem Druck nicht die Probleme zu lösen, sondern die Belegschaften in den Betrieben zu spalten. „Es kann nicht sein, daß die Politik die Verantwortung für den Kampf gegen die Pandemie einfach bei den Beschäftigten ablädt“, sagte Hoffmann. Der DGB-Chef betonte, es sei eine der wichtigsten Errungenschaften der Arbeiterbewegung, daß der Arbeitgeber nur das absolut Nötige über das Privatleben – und somit auch Gesundheitsentscheidungen – seiner Beschäftigten erfahre.

Der Arbeitsrechtler Ferdinand Brüggehagen kritisierte den Beschluß der Minister scharf und äußerte verfassungsrechtliche Bedenken: „Das Ziel, quarantäne­pflichtigen Arbeitnehmern für die Dauer der Quarantäne keine Entschädigung mehr zu zahlen, läuft auf eine mittelbare Impfpflicht hinaus“, sagte der Jurist der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Laut Brüggehagen würde ein Ende des Entgeltersatzes für Ungeimpfte auch bedeuten, daß Beschäftigte ihrem Arbeitgeber ihren Impfstatus offenlegen müssen. Denn bislang zahle im Falle einer behördlich angeordneten Quarantäne der Arbeitgeber den Lohn weiter und könne sich die entstandenen Kosten vom Staat zurückholen. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sagte der Bild-Zeitung, er lasse bezüglich der Frage der Lohnfortzahlung für Beschäftigte in Quarantäne, den Gang vors Bundesverfassungsgericht prüfen. In einem Quarantäne-Fall sei ein Berufstätiger ja noch gar nicht infiziert. Seine Sorge sei, daß „Leute zum Lügen gezwungen werden“, so Aiwanger: „Wenn sie ehrlich sind, bekommen sie kein Geld, wenn sie ein Rückenleiden erfinden, schon.“

Unterdessen forderte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, sollten viele Beschäftigte in Kindertagesstätten, Schulen und Kliniken Impfungen weiter verweigern. Wer mit vulnerablen Gruppen zu tun habe und die eigene Immunisierung ablehne, habe seinen Verstand ausgeschaltet, so Fischbach.

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