© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/21 / 01. Oktober 2021

Die Euphorie weicht der Wut
USA: Durch seinen Umgang mit der illegalen Migration an der mexikanischen Grenze schafft sich Präsident Biden Feinde im eigenen Lager
Liz Roth

Nach acht Monaten Biden-Präsidentschaft herrscht in den USA Ernüchterung. Es ist noch nicht lange her, da nannten die großen amerikanischen Medienhäuser wie die New York Times oder die Washington Post Joe Biden einen „Brückenbauer“ und „Hoffnungsträger“. Sie lobten den demokratischen Politiker in den höchsten Tönen. Er werde die Spaltung im Land nach vier Jahren Donald Trump endgültig überwinden, so hieß es. Nun schweigen sie oder fangen an, leise Kritik zu üben, denn das Gegenteil ist passiert. 

Die Fronten im Land haben sich weiter verhärtet. Biden leistet sich einen politischen Fehltritt nach dem anderen. Bei der Ankunft von 13 in Afghanistan verstorbenen US-Soldaten zeugte sein Blick auf die Uhr von reinem Desinteresse an der Zeremonie. Während des Besuches des indischen Premierministers Narendra Modi weigerte er sich, Fragen der Presse zu beantworten, und forderte seinen Amtskollegen auf, es ihm gleichzutun. 

„Unaufhaltsame Verblödung Amerikas durch das Biden-Regime“

Überdies wird Biden immer wieder falscher Aussagen überführt. Die konservative Washington Times geht sogar so weit, von einer „unaufhaltsamen Verblödung Amerikas durch das Biden-Regime“ zu sprechen. Vergangene Woche hatte der Präsident behauptet, Grenzschutzbeamte auf Pferden peitschten Migranten an der südlichen Grenze des Landes aus. Daraufhin versprach er, besagte Beamten für ihre „unverschämten Aktionen bezahlen“ zu lassen. Später stellte sich heraus, daß die Grenzschützer nichts dergleichen getan hatten und die Fotos, die Biden wohl als Beweis erachtet hatte, irreführend waren. Laut dem Sender Fox News sind die Beamten gar nicht mit Peitschen ausgestattet. Die Bilder zeigen lediglich die langen Zügel, die sie nutzen, um die Pferde zu lenken. Dennoch ruderte die Regierung nicht zurück. Auch Bidens Erklärung, warum illegale Einwanderer an der Grenze nicht auf das Coronavirus getestet werden, während er die Impfpflicht für 100 Millionen Angestellte in seinem Land verschärft, stieß auf Empörung. 

Auf die Frage nach den abweichenden Maßstäben für die Hunderttausenden, die über die Grenze strömen, sagte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, die Migranten hätten nicht die Absicht, längere Zeit in den USA zu bleiben.„Was für eine dreiste Lüge! Als ob diese Menschen Tausende Kilometer zu Fuß gehen, um ein Wochenende in den USA zu verbringen!“ kommentiert der Journalist David Knight in der Washington Times. Selbst in den eigenen Reihen erntet Biden scharfe Kritik. Die kalifornische Abgeordnete Maxine Waters, eine selbsternannte Erzfeindin Trumps, nannte die Situation an der Grenze „schlimmer als Sklaverei“. Sie sei wütend und unzufrieden mit der Regierung, gab sie vergangene Woche zu verstehen. Die Demokratin ist besonders entsetzt über die Umstände, unter denen 10.000 haitianische Flüchtlinge im Bundesstaat Texas untergebracht sind. 

Bidens Bilanz bei Grenzschutz schlechter als Trumps 

Die Krise an der Grenze scheint ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Die Zahl illegaler Einwanderer liegt auf dem höchsten Stand seit 21 Jahren. Jeden Monat wandern mindestens 200.000 Menschen ohne Erlaubnis ein. Unter Trump war die Zahlen illegaler Grenzübertritte auf 16.000 pro Monat gesunken. 

Der Abzug der US- Truppen aus Afghanistan und die dortige Machtübernahme durch die Taliban hat ebenfalls weltweites Entsetzen ausgelöst. Präsident Biden ist Zielscheibe unerbittlicher Kritik für seinen Umgang mit dem militärischen Abzug, der zur Aufgabe der amerikanischen Botschaft und verzweifelten Szenen am Kabuler Flughafen führte.

„Das Versäumnis des Präsidenten, seinen katastrophalen Rückzug einzugestehen, ist weder für die Amerikaner noch für unsere afghanischen Partner, deren Leben auf dem Spiel steht, ein Trost“, kritisierte der republikanische Senator Mitt Romney. „Im Gegensatz zu seinen Behauptungen hatten wir nicht die Wahl zwischen einem überstürzten und schlecht vorbereiteten Rückzug oder einem ewigen Verbleib.“ Der NBC-Moderator Chuck Todd, der Biden häufig verteidigt, gab ebenfalls kritische Töne von sich. „Er hat eine ziemlich große Glaubwürdigkeitskrise“, betonte er.