© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/21 / 01. Oktober 2021

Wenn der Winter kalt wird, explodieren die Heizkosten
Energiemarkt: Aktuelle Lieferschwierigkeiten in Rußland und Norwegen sowie die deutsche Klimapolitik befeuern die Erdgaspreise
Marc Schmidt

Seit 2019 ist Deutschland dank Energiewende „Europameister“ bei den Strompreisen. Im kommenden Winter dürften nun auch Erdgas und Benzin die Inflationsrate merklich steigern – egal ob sich Ampel, Jamaika oder Groko-Regierung bilden, denn das schwarz-rot-grüne Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) zur „CO2-Bepreisung“ kennt keine Gnade. Dennoch verbreiteten nicht nur die Grünen im Wahlkampf die Mär, Präsident Wladimir Putin und der russische Staatskonzern Gazprom würden die Gaspreise durch eine gezielte Exportverringerung antreiben. Tatsächlich erfüllt Rußland seine langfristig eingegangenen Lieferverpflichtungen, es verkauft aber zur Zeit kein Gas im Tageshandel (Spotmarkt).

Dies liegt daran, daß die Produktion durch einen schweren Unfall in Sibirien verringert ist und Rußland, wie jedes Jahr im Spätherbst, seine Gasspeicher für den Winter befüllt. In den vergangenen Jahren wäre dies ohne größere Preiswirkungen durch norwegisches Gas kompensiert worden. Allerdings modernisiert Norwegen Teile seines Pipelinesystems und steht für zusätzliche Exporte nicht zur Verfügung. Entsprechend haben sich die Preise am europäischen Spotmarkt auf knapp 70 Euro je Megawattstunde (MWh) mehr als verdreifacht. Vor dem Frühjahr 2022 rechnen nur sehr mutige Spekulanten mit einem sinkenden Gaspreisniveau.

Die Preisschwankungen bei Gas treffen die Energieversorger besonders hart. Die Industrie sichert sich über das „Hedging“ ab, also verschiedene langfristige Kontrakte mit Preisbindung. Auch die Privathaushalte haben oft Verträge mit Preisbindungen oder Sonderkündigungsrechte bei Preiserhöhungen. Doch seit Jahresbeginn zahlen de facto alle Verbraucher durch das BEHG zusätzlich 25 Euro pro Tonne CO2 (umgerechnet: 5,41 Euro pro MWh), die bei der Verbrennung von Gas entstehen. Abgerechnet wird diese Abgabe entweder beim Händler, der Gas auf den Markt bringt oder mit einem Industrieunternehmen, welches große Mengen direkt am Markt kauft. Diesel und Heizöl wurden durch das BEHG um knapp acht Cent pro Liter teurer.

Beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das 2020 die Betreiber von Wind-, Solar- und Biomasseanlagen mit 30,9 Milliarden Euro subventionierte, gibt es Ausnahmen für energieintensive Unternehmen, beim BEHG hingegen nicht. Das Ergebnis sind Preissteigerungen für de facto alle in Deutschland gefertigten Industrieprodukte. Gerade diese Preissteigerungen machen einen erheblichen Teil der deutschen Inflationsrate von 3,9 Prozent (nach EU-Berechnung: 3,4 Prozent) aus. Ein weiterer Inflationsbestandteil sind die direkten Preiserhöhungen durch das BEHG bei Kraftstoff, Heizöl und Erdgas. Die Heizkosten eines Einfamilienhauses steigen durch die CO2-Bepreisung in diesem Jahr um etwa 140 Euro. Ab Januar 2022 steigt der BEHG-Preis pro Tonne CO2 von 25 auf 30 Euro. Im Jahr 2025 sind bislang 55 Euro geplant – bei einer grünen Regierungsbeteiligung könnten es auch zwei- oder dreimal soviel sein: Denn die „nächste Regierung ist die letzte, die noch aktiv Einfluß auf die Klimakrise nehmen kann“, behauptete Grünen-Chefin Annalena Baerbock im Wahlkampf.

Dabei sind 55 Euro ohnehin nur ein „Mindestpreis“, denn ab 2026 soll das Zertifikat zur Berechtigung zur Emission einer Tonne CO2 an der Leipziger Energiebörse EEX frei gehandelt werden. Die FDP will mit einem „CO2-Deckel“ sogar noch mehr Druck machen: Eine zentrale Vorgabe solle entscheiden, „wieviel CO₂ im Jahr ausgestoßen werden darf, um die Klimaziele von Paris zu erfüllen“. Sprich: Je schwerer der „Deckel“, desto höher die Belastung für Bürger und Wirtschaft.

Emissionshandel als „Klimaschutz-Konzept“: www.fdp.de