© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/21 / 01. Oktober 2021

Mohr, Zwerg, Knabe
Nach dem Bildersturm: Eine Petition fordert die Rückbenennung Dresdner Kunstwerke
Paul Leonhard

Der Mohr darf nicht mehr Mohr genannt werden. Der Zwerg nicht mehr Zwerg. Nicht in der bereits seit Jahren gegenderten Welt von Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Die Chefin der bedeutendsten Kunstschätze Sachsens kommt mit ihrem Handeln nicht mehr aus den Schlagzeilen. Erst war es die durch die Direktorin des Gemäldegalerie „Neue Meister“ veranlaßte Verbannung von zu DDR-Zeiten entstandenen Werken in die Depots, die einen Aufstand des Dresdner Kulturbürgetums auslöste, dann der spektakuläre Diebstahl unschätzbarer Kleinodien aus dem Grünen Gewölbe – begünstigt durch völlig unzureichende Sicherheitsmaßnahmen – und jetzt die Ausradierung jahrhundertealter, vertrauter Bezeichnungen für einzelne Kunstwerke im Zeichen der „äußersten Sensibilisierung für Sprache“, so die umstrittene Generaldirektorin.

Dieser von Kritikern als Bildersturm bezeichnete Angriff auf das jahrhundertealte sächsische Kulturgut fand seinen Höhepunkt in der Umbenennung der berühmten Skulptur „Mohr mit Smaragdstufe in „**** mit der Smaragdstufe“. Dabei handelt es sich um eine 1723 von Balthasar Permoser aus dunklem Birnbaumholz geschaffene Figur eines jungen Schwarzen, der auf einer Schale 16 teils große Smaragde präsentiert. Ein Kunstwerk, das zu den bekanntesten Exponaten der Kunstsammlung des einstigen Herrscherhauses der Wettiner gehört.

Insgesamt hat Ackermann 143 Kunstwerke, unter anderem aus dem Kupferstich-Kabinett, dem Grünen Gewölbe und der Gemäldegalerie Alte Meister klammheimlich umbenennen lassen, wie eine Kleine Anfrage der sächsischen AfD-Landtagsfraktion zutage brachte. Im Fall des berühmten Mohren sollen durch die Verwendung von Asterisken diskriminierende Begriffe ausgeblendet werden, so die Generaldirektorin in einer Stellungnahme: „Mit bestimmten sprachlichen Aktualisierungen soll aber auch verhindert werden, daß man unvermittelt auf Begriffe stößt, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Geschlecht, sexuellen Orientierung, Alter oder körperlichen Disposition abwerten oder diskriminieren können.“ Die Bearbeitung von Werk- oder Objekttiteln sei eine übliche, seit Jahrhunderten in sehr vielen Museen in aller Welt stattfindende Praxis, teilten die SKD mit.

Doch die Kunstfreunde mobilisieren. In einer am 20. September von Torsten Küllig initiierten Online-Petition unter dem Titel „Folgt Identitätsraub auf Kunstraub?“ werden die Staatlichen Kunstsammlungen und das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus, vertreten durch Staatsministerin Barbara Klepsch, aufgefordert, die Umbenennung der 143 Kunstobjekte rückgängig zu machen und ihnen die Bezeichnungen zu lassen, die sie seit Generationen tragen.

Dabei wird geltend gemacht, daß diese Kunstwerke den sächsischen Bürgern gehören und Ackermann lediglich als Sachwalterin dieser weltweit einzigartigen Kunstschätze fungiere: „Ohne sich bei den Sachsen, also den Eigentümern, für so einen weitreichenden Eingriff die Zustimmung einzuholen, fehlt der Museumsleitung schlichtweg jedwedes Mandat“ für derartige Eingriffe. Als Beispiele werden die Umbenennung eines Werkes mit dem Titel „Hund, Zwerg und Knabe“ in „Hund kleinwüchsiger Mann und Junge“ genannt. Auch wurde aus dem Gemälde „Zigeunermädchen“ der Titel „Mädchen“, aus „Eskimoschlitten“ ein „Schlitten des Inuit“, aus dem  „Kopf eines Negerknaben“ ein „Studienkopf eines jungen Mannes“.

Mit dem Verweis auf den sächsischen Bürger greift Küllig, der sich für die Freien Wähler Dresden engagiert, in seiner Petition geschickt eine Äußerung des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) auf, der anläßlich des Diamantendiebstahls mitteilen ließ: „Nicht nur die Staatlichen Kunstsammlungen wurden bestohlen, sondern wir Sachsen! Die Werte, die im Grünen Gewölbe und im Residenzschloß zu finden sind, sind von den Menschen im Freistaat Sachsen über viele Jahrhunderte hart erarbeitet worden. Man kann die Geschichte unseres Landes, unseres Freistaates nicht verstehen, ohne das Grüne Gewölbe und die Staatlichen Kunstsammlungen Sachsens.“

Damit habe der Ministerpräsident sehr genau beschrieben, wie wichtig den Sachsen diese Kunstschätze sind, heißt es in der Petition: „Durch eine politisch korrekte Kunst-Begriffszensur und eine allzu ‘woken’ Museumsleitung fühlen wir uns aber als sächsische Bürger erneut bestohlen!“ Eingriffe in die Sprachgestaltung seien grundsätzlich autoritären Regimen zuzuschreiben und von Demokraten abzulehnen. Auch wird daran erinnert, daß sich Sprache in einer freiheitlichen Gesellschaft von unten nach oben entwickelt und niemals umgekehrt: „Sobald sich Vertreter von staatlichen Einrichtungen unmittelbar oder auch mittelbar in die Sprachgestaltung einbringen, sollten wir alle sehr aufmerksam werden, denn die Manipulation der Sprache ist letztendlich auch die Manipulation des Denkens.“

Kritik kommt auch vom Deutschen Museumsbund. Wenn sich Titel über die Jahre veränderten, sollte das auch sichtbar sein, sagte Vorstandsmitglied Reinhard Spieler dem Mitteldeutschen Rundfunk: „Ich finde, wir sind als Museen historische Institutionen, und wir wollen eigentlich sichtbar machen, daß man in anderen Kulturen und zu anderen Zeiten andere Werte vertreten hat. Das ist der Sinn von Museen.“ Gegenüber dem Evangelischen Pressedienst schlug Spieler vor, von Künstlern vergebene Titel nicht anzutasten, vom „Volksmund“ dagegen vergebene, anzupassen, wenn diese rassistisch oder diskriminierend seien. Die AfD forderte Sachsen-Premier Kretschmer auf, die „Sprachpolizei“ in den Kunstsammlungen „sofort zu stoppen“.

Ackermann und die von ihr gegründete „Anti-Diskminierungs-AG“, mit eingebundenen „externen thinkers of color“ – der Generaldirektorin sind die deutschen Worte abhanden gekommen – sehen das natürlich ganz anders. Sie wollen verhindern, daß sich Personen beim Besuch der Online-Col-lection oder der Ausstellungen diskriminiert fühlen: „Um keine Menschen über die Reproduktion dieser Sprache zu verletzen, werden die Werktitel sukzessive überarbeitet, in großen Teilen umbenannt und diskriminierende Begriffe von historischen Titeln durch vier Sternchen ausgeblendet.“

Foto: Skulptur „Mohr mit Smaragdstufe“ im Historischen Grünen Gewölbe der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: Jahrhundertealtes Kunstwerk aus der Sammlung des einstigen Herrscherhauses der Wettiner