© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/21 / 01. Oktober 2021

Jim Knopfs Wurzeln in der christlichen Missionsgeschichte
Kinderbücher als Schlüsselromane
(wm)

Im Jahr 1957 hatte Michael Ende damit begonnen, Geschichten über ein dunkelhäutiges Findelkind (Jim) zu verfassen, das mit einem Lokomotivführer (Lukas) befreundet war und auf einer winzigen Insel in einem unbekannten Weltmeer lebte. Als dann 1958 der erste Band der Jim-Knopf-Geschichten erschien, war das für den Autor der literarische Durchbruch. Es hat jedoch Jahrzehnte gedauert, bevor 2009 die „anti-rassistische“ Botschaft Endes entschlüsselt wurde, die die nur als Kinderbücher rezipierten Texte in „Schlüsselromane für Erwachsene“ verwandelt. Ende, so interpretierte Julia Voss 2009 „Jim Knopf“, habe die aus Charles Darwins Werk mit abgeleitete NS-Rassenlehre in eine Art Gegengeschichte aufgelöst, um die in der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft weiterhin virulente „Reinheitsideologie“ in Frage zu stellen. Für den Religionswissenschaftler Christoph Nebgen ist damit der Gehalt der mit der europäischen Kolonialgeschichte verknüpften Lummerland-Abenteuer Jim Knopfs immer noch nicht ausgeschöpft. Bisher unbeachtet sei nämlich geblieben, daß der im Schwabinger anthroposophischen Milieu sozialisierte Autor, der sich gegen Kriegsende 1945 für die katholische Widerstandsbewegung „Freiheitsaktion Bayern“ als Kurier engagierte, das „Bildprogramm christlicher Missionspublizistik“, deren Typologien  und die missionarische Praxis des „Kinderloskaufs“ verwertete. Selbst der Name Knopfs leitet sich vom indigenen Kind „Jemmy Button“ ab, das britische Forscher gegen einen Knopf eintauschten und nach England brachten, von wo es 1832 mit Charles Darwin in seine Heimat zurückkehrte (Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft, 105/2021). 


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