© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/21 / 01. Oktober 2021

Engelsscharen als Divisionen des Papstes
Der Publizist Christoph Rohde beschreibt Prämissen einer realistischen christlichen Friedensethik
Felix Dirsch

Josef Stalin konnte einst unwidersprochen höhnen: „Wie viele Divisionen hat der Papst?“ Der sowjetische Gewaltherrscher kannte den Begriff der „Softpower“ nicht, dessen Gewicht in der gegenwärtigen Weltpolitik kaum zu überschätzen ist. Auf dieser Grundlage beschreibt man üblicherweise Machtpolitik im Sinne einer primär kulturellen Ausrichtung sowie mit Hilfe der Ideologie, aber auch als Zusammenarbeit von globalen Institutionen.

Über „Softpower“ findet man einen einleuchtenden Zugang zu den Aktivitäten der katholischen Kirche im Bereich der internationalen Beziehungen. Der Publizist und Lehrbeauftragte an mehreren Hochschulen Christoph Rohde skizziert nicht nur theologische Grundlagen der Friedensethik, wie sie in unterschiedlicher Weise in der Bibel, etwa in der Sichtweise der Staatsgewalt durch Paulus und in der Johannes-Apokalypse, aber auch in der kirchlichen Lehrverkündigung rezipiert werden; ferner bietet er einen Überblick über fundamentale Theorien der internationalen Beziehungen. 

Er bevorzugt die realistische Ausrichtung, die die wirklichen Kräfte der Weltpolitik, vor allem den Faktor Macht, gebührend berücksichtigt. Von den Repräsentanten dieser Strömung sind in verschiedenen Zeitaltern Thukydides, Machiavelli und Hans Morgenthau zu erwähnen. Angesichts der Komplexität weltpolitischer Zusammenhänge vermeidet der Autor die Präferenz für extreme Auslegungsweisen christlicher Ethik: Dazu zählen auf der einen Seite gesinnungsethisches Schwärmertum, das für Max Weber auch die Bergpredigt mit dem Postulat der Feindesliebe einschließt, wie bellizistische Propaganda auf der anderen Seite. Die Ideale der christlichen Lehre sind mit der Wahrnehmung der sündhaften Welt zu verbinden, zu der auch Kriege gehören.

Hervorzuheben ist Rohdes sorgfältige Darlegung des Verhältnisses von Staat und Kirche in Vergangenheit und Gegenwart. Als Beispiel ist seine Deutung der Zwei-Reiche-Lehre und der heftig umstrittenen Bedeutung der Lehre vom gerechten Krieg zu nennen. Am Ende der Studie faßt der Autor seine Erkenntnisse in zehn Pfeilern zusammen. Rohdes Arbeit ist weit mehr als eine Spezialstudie zur Ethik. Sie dokumentiert auf grundlegende wie gut lesbare Weise die Unverzichtbarkeit christlicher Verantwortung für die Welt von den Anfängen bis in die unmittelbare Gegenwart.

Christoph Rohde: Das Kreuz und der Krieg. Prämissen einer realistischen katholischen Friedensethik. Lepanto Verlag, Rückersdorf 2021, gebunden, 368 Seiten, 18,50 Euro