© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/21 / 08. Oktober 2021

Ungarn vor der Wahl 2022
Der Feind meines Feindes
Zita Tipold

Für Viktor Orbán wird die Luft immer dünner. Das Oppositionsbündnis, das den ungarischen Ministerpräsidenten im April aus dem Amt befördern will, formiert sich und hat bei aktuellen Umfragen knapp die Nase vorn. Nun stehen drei Kandidaten fest, von denen einer bei den Parlamentswahlen gegen den Fidesz-Chef antreten soll. Frei nach dem Motto „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ eint die sechs Parteien unterschiedlichster Ausrichtung nur der Kampf gegen Orbán – selbstverständlich mit nützlichem Dauerbeschuß aus der EU, die nur danach lechzt, den lästigen Stachel aus ihrer Brüsseler Wohlfühlblase zu ziehen. 

Das Versprechen der Truppe, Orbáns angeblich korruptem Herrschaftsapparat ein Ende zu bereiten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Klára Dobrev, die unter den drei Spitzenkandidaten derzeit die meiste Zustimmung genießt, ist die Ehefrau des früheren Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány, der 2009 nach Korruptionsvorwürfen aus dem Amt schied. Die Politikerin, deren Partei Demokratische Koalition sich 2011 von den Sozialisten abgespalten hatte, ist überdies Vizepräsidentin des EU-Parlaments. Für Brüssel wäre ein Sieg der Opposition mit Dobrev an der Spitze somit ein doppelter Gewinn. Daß der Fidesz einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem EU-freundlichen Sechser-Bündnis überhaupt standhalten kann, spricht eigentlich einmal mehr für den ungarischen Sonderweg. Mit Orbán steht und fällt diese Bastion nationaler Selbstverteidigung.