© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/21 / 08. Oktober 2021

Laß es, Laschet
Zoff in der Union: Die Widersacher sägen heftig am Stuhl des CDU-Parteichefs / Seine letzte Hoffnung heißt Jamaika
Jörg Kürschner

Nach 1969 und 1998 stehen die Unionsparteien ein drittes Mal vor dem Verlust des Kanzleramts und einem innerparteilichen Machtkampf. Ob Parteichef Armin Laschet sich im Amt halten kann, hängt vom Zustandekommen einer Jamaika-Koalition ab.

Die Chancen dafür sind durchwachsen. Nach dem Treffen mit CDU/CSU erklärte Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock, die Gespräche seien „konstruktiv und sachlich“ gewesen und geprägt von „Ernsthaftigkeit“. Es seien Differenzen deutlich geworden, genauso auch gemeinsame Anliegen wie die Modernisierung des Landes. Co-Chef Robert Habeck berichtete, es seien „mögliche Schnittmengen ausgelotet“ worden, aber auch Trennendes. Laschet sprach von einem „guten Austausch“. Gegensätze seien überwindbar. Auch CSU-Chef Markus Söder signalisierte Interesse an weiteren Gesprächen mit den Grünen. Man habe viele Gemeinsamkeiten gefunden, vor allem beim Klima-Thema. Differenzen bestünden in der Migrationsfrage. Bei gutem Willen gebe es große Chancen, „solch ein Gespräch fortzusetzen“. Grüne und FDP wollten nun die Gespräche in ihren Gremien jeweils bewerten und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Bei Beginn der „Vor-Sondierungen“ hatten die Koalitionsunterhändler öffentlich Verschwiegenheit gelobt und zunächst eingehalten. Doch nach den Gesprächen zwischen Union und FDP war die Strategie der Liberalen durchgesickert. „Wir haben ein Interesse an Jamaika. Habt ihr es auch? Wollt ihr es? Seid ihr geschlossen?“, habe die FDP-Riege um Christian Lindner die Unions-Sondierer um Laschet und Söder gefragt. Wie würde es ihnen gelingen, die Grünen von Jamaika zu überzeugen. Die FDP reagierte auf die „Durchstecherei“ verärgert. „Es nervt.“

Tiefe Zweifel ob der Verhandlungsfähigkeit der Unionsführung werden tagtäglich gefüttert durch Laschets zahlreiche innerparteiliche Widersacher, wie zum Beispiel Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn oder der ihm im Wettstreit über den Parteivorsitz unterlegene Norbert Röttgen, die eine „personelle Erneuerung“ fordern, eine gefällig klingende Umschreibung des Sturzes von Laschet. Dabei nimmt nicht nur Röttgen kein Blatt vor den Mund. „Die fehlende Akzeptanz des Kandidaten war der Hauptgesprächsgegenstand im Wahlkampf“. 

Auch Friedrich Merz, die ewige Hoffnung der Konservativen, rechnete mit seiner Partei ab. „Die CDU ist denkfaul geworden.“ Dabei fehlen die von Ex-Parteichefin Angela Merkel marginalisierten Konservativen beim vielbeschworenen Neuanfang in der neuen Bundestagsfraktion. Vom „Berliner Kreis“ war lange nichts zu hören, dessen Sprecherin Sylvia Pantel hat den Wiedereinzug ins Parlament verpaßt. Geblieben ist nur der kantige Klaus-Peter Willsch, seit 1998 direkt gewählt im Wahlkreis Rheingau-Taunus/Limburg.

In der Bundestagsfraktion wächst der Einfluß der CSU

Auf der anderen Seite erhielten zahlreiche sogenannte Merkelianer im Gegensatz zu konservativeren Kandidaten eine Listenabsicherung und sind daher trotz des verheerenden Wahlergebnisses wieder im Bundestag dabei. Für einen Neuanfang sind die Voraussetzungen daher zumindest in der Bundestagsfraktion nicht besser geworden. 

Andererseits konnte die CSU fast alle Mandate halten. Lediglich einen Abgeordneten weniger als in der 19. Legislaturperiode zählt ihre neue Landesgruppe. Aufgrund der hohen Verluste der CDU steigt somit ihr Einfluß in der gemeinsamen Fraktion. Das wiederum vergrößert den Einfluß von Markus Söder in Berlin und schwächt Armin Laschet.

Hoffnung, daß ein neues konservativ-wirtschaftsliberales Kraftzentrum entsteht, machen sich die Kritiker des „Weiter so“-Kurses beim Blick auf Politiker wie den Mittelstands-Chef Carsten Linnemann, den Hamburger CDU-Landesvorsitzenden Christoph Ploß, den neu in den Bundestag eingezogenen Vorsitzenden der Jungen Union, Tilman Kuban, sowie den Chefs der Landtagsfraktionen in Mainz und Stuttgart, Christian Baldauf und Manuel Hagel. In Rheinland-Pfalz sah sich Julia Klöckner schon dazu gezwungen, ihren Rücktritt als CDU-Chefin anzukündigen. Im Südwesten könnte der Druck auf den erfolglosen Schäuble-Schwiegersohn und CDU-Bundesvize Thomas Strobl wachsen.

Friedrich Merz denkt unterdessen offenbar an eine erneute Kandidatur für den Parteivorsitz, falls die Mitglieder und nicht ein Parteitag darüber entscheiden können. „Mein Bedarf an streitigen Abstimmungen gegen das Establishment ist gedeckt“. 

Der vielzitierte Neuanfang der CDU dürfte mit einer stärkeren Beteiligung der Basis verbunden sein. Laschets Kanzlerkandidatur war vom CDU-Präsidium beschlossen und später in der Konfrontation mit Söder von den CDU-Granden Wolfgang Schäuble und Volker Bouffier ultimativ durchgedrückt worden. Trotz starker Vorbehalte in der Mitgliedschaft. Beide haben sich seitdem zu dem katastrophalen Wahlergebnis nicht näher geäußert.