© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/21 / 08. Oktober 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Wachsen und Weichen
Paul Rosen

Am 26. Oktober wird der mit 735 Sitzen größte Bundestag aller Zeiten mit seiner Arbeit beginnen. Ausreichend Büros für die 26 zusätzlichen Abgeordneten gibt es allerdings nicht. Die Fraktionen müßten Übergangslösungen finden, ist aus der Bundestagsverwaltung zu hören. Zwar ist die Aufblähung des Bundestages nicht so stark ausgefallen wie von vielen befürchtet, dennoch müssen über hundert neue Büroräume her, wenn man pro Abgeordnetem samt seiner Berliner Mitarbeiter vier Zimmer rechnet. Allerdings steigt mit der Abgeordnetenzahl auch der Platzbedarf der Verwaltung und der Fraktionen, die insgesamt mehr Personal erhalten werden. Derzeit herrscht schon massive Raumnot, so daß Teile der Verwaltung in den angrenzenden Stadtbezirk Moabit ausgelagert wurden.

Die bereits 2019 begonnene Planung für einen provisorischen Bau aus vorgefertigten Holzmodulen würde Platz für 400 Büros schaffen, ist jedoch – wie bei Bundesbauten fast schon üblich – nicht rechtzeitig zum Beginn der neuen Legislaturperiode fertig geworden. Der Holzbau mit dem schönen Namen „Luisenblock West“ dürfte vermutlich Anfang kommenden Jahres fertig werden.

Ein Blick in die Bauplanung des Bundestages zeigt, daß das Parlament dabei ist, sich massiv in Richtung Alexanderplatz auszudehnen. So wird die seit Jahren leerstehende ehemalige amerikanische Botschaft in der DDR für den Bundestag für 51 Millionen Euro umgebaut. In der benachbarten Schadowstraße wird ein weiterer Verwaltungsbau für 91 Millionen Euro für das Parlament errichtet. Auch in der Dorotheenstraße entsteht ein Bürogebäude mit 1.800 Quadratmetern Fläche für 35 Millionen Euro. Spötter meinen, daß bei Fertigstellung aller Bauvorhaben auch der chinesische Volkskongreß (2.980 Abgeordnete) in den Bundestagsliegenschaften untergebracht werden könnte.

Stühlerücken ist allerdings bei den Fraktionen angesagt. Besonders betroffen: die Unionsfraktion. Nach dem Verlust von 49 Abgeordneten sind rund 200 Büros zurückzugeben, die überwiegend von SPD, Grünen und FDP übernommen werden. Auch finanziell geht es für die Union bergab, da sie vom großen Kuchen der staatlichen Fraktionszuschüsse (insgesamt 120 Millionen Euro) zukünftig weniger bekommen wird. Da sich auch die staatliche Parteienfinanzierung für die Union reduzieren wird, ist jetzt Sparen angesagt.

Dramatischer ist die Lage nur noch bei den Linken, deren Fraktion nach Schätzungen bis zu vier Millionen Euro weniger als bisher erhalten dürfte. Auf der Gewinnerseite befinden sich SPD, Grüne und FDP, die mit erheblichen Mehreinnahmen rechnen können. Genaue Zahlen gibt es allerdings noch nicht, da Nichtregierungsfraktionen einen Zuschlag erhalten, der die harten Oppositionsbänke etwas polstert. Verlieren wird auf jeden Fall der Steuerzahler, der bisher schon knapp eine Milliarde Euro im Jahr für den Bundestag aufzubringen hatte. Jeder zusätzliche Abgeordnete schlägt mit rund einer weiteren Million Euro im Jahr zu Buche.