© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/21 / 08. Oktober 2021

„Halsschmerzen“ der Woche
Alles Müller, oder was?
Paul Leonhard

Theo Müller („Müllermilch“) gehört in Leppersdorf bei Dresden ein riesiges Milchwerk mit 2.800 Beschäftigten, in das er im Laufe der Jahre fleißig investiert hat. Dafür hat er jetzt von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) den Sächsischen Verdienstorden, die höchste Auszeichnung des Freistaats, erhalten. Da der 81jährige Unternehmer aber seit 2003 aus Gründen der Steuerersparnis in der Schweiz wohnt, ist der Sachsen-Premier zur Ordensübergabe extra nach Zürich gereist, was ein Fehler war, wie er vergangene Woche im Landtag zugab. Die Reise, nicht die Verleihung. Der mehrfache Milliardär Müller gilt den einen als Steuerflüchtling, Lohn- und Preisdrücker, den anderen als cleverer Unternehmer. So zeigt der rechtspolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Volker Dringenberg, Verständnis dafür, daß Müller angesichts wachsender Steuerlast in die Schweiz umgezogen ist. Die Linke verweist dagegen auf eine Spende Müllers von 100.000 Euro an die CDU, und SPD-Generalsekretär Henning Homann erinnert an die „zahlreichen, anständigen kleinen und mittelständischen Unternehmen“, die im Freistaat brav Steuern zahlen. Daß Müller „kein Engel“ sei, räumt sogar die CDU ein. So hat er, um die Richtlinien zur Förderung kleiner Unternehmen einzuhalten, neun eigenständige kleine Firmen gebildet, die als Sitz alle dieselbe Adresse haben. Müller denke eben wirtschaftlich und engagiere sich zudem für die sächsische Blasmusik, lobt CDU-Fraktionschef Christian Hartmann. Höhepunkt des Geplänkels um den „Verdienstorden des Egoismus“ (Homann) ist aber der Streit innerhalb der Koalition, ob das SPD-geführte Wirtschafts- und das Grünen-geführte Landwirtschaftsministerium der Verleihung zugestimmt haben. Kretschmer behauptet das, während es die Minister bestreiten. In Sachsen ist noch längst nicht „alles Müller“.