© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/21 / 08. Oktober 2021

Streit um Anhebung der US-Schuldenobergrenze von 28,5 Billionen Dollar
Späte Einigung in Aussicht
Thomas Kirchner

Beim Geld hört die Freundschaft auf. Das zeigen auch die zerstrittenen US-Demokraten. Rechnerisch hätten sie genug Stimmen im Kongreß, eine Anhebung der Schuldenobergrenze samt Steuererhöhungen zu beschließen. Doch die Linken um Bernie Sanders verweigern Joe Biden die Gefolgschaft. Während Demokraten in Trump-affinen Wahlkreisen um ihre Wiederwahl fürchten, sollten sie hohe Ausgaben durchwinken. Einigen konnten sie sich nur auf einen Übergangshaushalt bis zum 3. Dezember. Aber Finanzministerin Janet Yellen zufolge könnte der Finanzspielraum schon am 18. Oktober ausgeschöpft sein.

Die Schuldenobergrenze beträgt bisher 28,5 Billionen Dollar. Davon sind 22,3 Billionen Schulden im engeren Sinne, 6,2 Billionen sind künftige Verbindlichkeiten für Sozialprogramme. Neben dem diesjährigen Etatdefizit von 2,7 Billionen Dollar (6,3 Billionen Ausgaben bei Einnahmen von 3,6 Billionen; deutsche Gesamtverschuldung: umgerechnet „nur“ 2,55 Billionen Dollar) will der US-Präsident noch weitere 3,5 Billionen Dollar als Konjunkturpaket ausgeben. Das Infrastrukturpaket von 550 Milliarden bekommt die Zustimmung der Republikaner, wird aber aus taktischen Gründen von den Linksdemokraten abgelehnt. Dieses Paket umfaßt sogar 1,2 Billionen, wenn man bereits beschlossene Ausgaben mitzählt. Steuererhöhungen sollen, so Bidens Hoffnung, die Mehrausgaben finanzieren, und da spielen die Republikaner nicht mit, da die Wirtschaft bereits auf Hochtouren läuft.

Mit den Mehrausgaben würden die US-Staatsschulden auf 127 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen – in Deutschland sind es derzeit 72 Prozent, in der Eurozone im Schnitt 100 Prozent. Das macht sich bereits bemerkbar. Die Renditen für zehnjährige US-Anleihen stiegen vom Tiefstand bei 1,15 Prozent im August auf inzwischen über 1,50 Prozent (deutsche Bundesanleihen: -0,22 Prozent). Die Ratingagentur Fitch warnte, der Streit könne zu einer Herabstufung der US-Bonität von AAA führen. Standard & Poor’s hatte sie bereits 2011 auf AA+ gesenkt. Nun bedeutet die Schuldengrenze aber keineswegs, daß die USA kein Geld mehr ausgeben dürfen. Vielmehr dürfen die Ausgaben nicht mehr die Einnahmen übersteigen, weil sonst die Gesamtschulden über die Grenze steigen würden – das ist eigentlich der fiskalische Normalfall.

Doch schon während Barack Obamas Präsidentschaft kam es 2013 zu einer 16tägigen Schließung von zehn Prozent der US-Bundesbehörden, als eine Erhöhung der Schuldengrenze auf 16 Billionen Dollar anstand. Die befürchteten dramatischen Auswirkungen blieben aus, lebenswichtige Funktionen wurden weitergeführt. Die Engpässe bei Passagierkontrollen an Flughäfen waren gezielt vom Weißen Haus inszeniert worden, um die öffentliche Meinung gegen die Blockade der Republikaner zu gewinnen – ein klarer Fall von Amtsmißbrauch für Parteipolitik.

Aber wie andere Skandale der Obama-Ära (2009 bis 2017) fand dies in regierungshörigen Medien keine Beachtung. Sollte es jetzt wieder zu einer Schließung kommen, dürften auch diesmal die Folgen überschaubar bleiben. Aber bei den Zwischenwahlen 2014 gewannen die Republikaner die Mehrheit in beiden Kongreßkammern, Obama wurde in seinen letzten beiden Amtsjahren handlungsunfähig. In Umfragen weist auch heute die Mehrheit der Amerikaner die Schuld am Haushaltsstreit den Demokraten zu. Eine baldige parteiinterne Einigung ist also wahrscheinlich.