© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/21 / 08. Oktober 2021

Deutsche Preistreiberei
Energiepolitik: Das nationale Emissionshandelssystem verteuert Fahren und Heizen drastisch
Marc Schmidt

Am 5. Oktober startete der CO2-Zertifikatehandel im neuen nationalen Emissionshandelssystem (nEHS) an der Leipziger Strombörse European Energy Exchange (EEX). Dieser ist eine Folge des schwarz-roten Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG; JF 43/20), das mit grüner Zustimmung bereits seit Januar gilt. Und das BEHG hat es in sich: Es verteuert jährlich Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl – zusätzlich zu Inflation, Energie- und Mehrwertsteuer und sonstigen Abgaben. Zwei Euro pro Liter Superbenzin sind nicht mehr ausgeschlossen.

Das nEHS ist keine Forderung aus Brüssel, sondern allein der politisch-medialen Klimapanik in Deutschland geschuldet. Denn schon seit 2005 wird der CO2-Ausstoß bei Kraftwerken, in der Industrie und im Luftverkehr durch den europäischen Emissionshandel (EU-ETS) verteuert, was sich als Preistreiber für die Kunden auswirkt. Unternehmen erhalten im EU-ETS eine stetig sinkende Menge an kostenlosen CO2-Zertifikaten; eine Überschreitung des künstlich zugebilligten Ausstoßes erfordert den Kauf von Zertifikaten am Markt, deren Gesamtzahl ebenfalls jährlich gesenkt wird. In Deutschland kommt nun das nEHS hinzu.

EU-ETS wie nEHS funktionieren nur durch das politische Festlegen einer künstlichen Grenze von Emissionen, die von den Firmen und Bürgern in einem bestimmten Sektor ausgestoßen werden dürfen. Die durch sinkende Zuteilung steigenden Preise für die elektronischen Berechtigungszertifikate führen bei Industrieunternehmen in der Öko-Theorie zu steigenden Investitionen in die CO2-Vermeidung. In der Praxis stiegen vor allem die Produktpreise, da die willkürlichen Grenzen und ihre fortgesetzte Senkung von den Firmen nicht in gleichem Ausmaß mit verbesserter Technik beantwortet werden können.

Die von EU-ETS und nEHS betroffnen Unternehmen können ihre „Klimaschutzinvestitionen“ dank EZB-Politik und nationaler Förderung de facto zinsfrei und subventioniert finanzieren. Allerdings sind die Effizienzreserven der Produktionssysteme weitgehend ausgereizt, weshalb beispielsweise aus Energieeinsparmaßnahmen nur noch ein geringer tatsächlich vermiedener Gas-, Kohle- oder Gasverbrauch entsteht. Dies führt zur Abwanderung ganzer Industriezweige in Regionen ohne Emissionshandel – sprich: Fabriken werden dichtgemacht.

Der EU-ETS funktioniert im „Downstream“; kassiert wird an der Stelle der Emissionserzeugung wie beispielsweise dem Kraftwerk oder der Fabrik. Der zusätzliche EHS wird in Deutschland im „Upstream“ vollzogen, denn es wäre zu aufwendig, den einzelnen Verbraucher für seinen CO2-Ausstoß beim Heizen oder Autofahren zu belasten. Die „CO2-Bepreisung“ wird deshalb bereits direkt beim Inverkehrbringen, also dem ersten Verkauf von Benzin oder Gas erhoben. Das BEHG kennt keine Gratiszuteilungen von Zertifikaten, weshalb der seit Jahresbeginn geltende Preis von 25 Euro pro Tonne CO2 die Inflationsrate mit befeuert hat. Bereits zum 1. Januar 2022 wird der nEHS-Preis auf 30 Euro pro Tonne CO2 steigen: Das verteuert Benzin um 8,4 Cent pro Liter, bei Diesel und Heizöl sind es laut einer FDP-Anfrage an die Bundesregierung 9,5 Cent (Ds. 19/26035).

2,28 Euro mehr für Diesel wegen der Wohlfahrt der Generationen?

Die nEHS-Festpreisphase endet 2025 mit 55 Euro – sprich: 15,5 Cent mehr für den Liter Benzin bzw. 17,4 Cent bei Diesel und Heizöl. In den Folgejahren sollen es maximal 65 Euro sein. Das klingt moderat – doch das Umweltbundesamt (UBA) „empfiehlt“ für 2030 einen CO2-Preis von 219 Euro („Höhergewichtung der Wohlfahrt der heutigen Generation“) bzw. 721 Euro („Gleichgewichtung der Wohlfahrt der Generationen“), denn „Emissionen von Kohlendioxid sind der Hauptverursacher des Klimawandels“. Das wäre ein Aufschlag von 69 Cent bzw. 2,28 Euro auf den Liter Diesel und Heizöl – für manchen Grünen- und FDP-Wähler wären 125 bzw. 220 Euro für eine Tankfüllung sicher noch zu stemmen. Für Durchschnittsverdiener oder gar EU-weit wäre das aber unbezahlbar.

Doch darauf läuft der nEHS letztlich hinaus. Ziel sei „Zero CO2“, wie es etwa bei der FDP ganz offen heißt: „Um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, wollen wir ein strenges CO2-Limit einführen, das von Jahr zu Jahr verbindlich weiter sinkt. Wir deckeln den CO2-Ausstoß und machen so Druck für den Wandel.“ Das heißt, die nEHS- oder EU-ETS-Zertifikate sollen spürbar teurer werden, denn ansonsten gibt es keine martwirtschaftliche Wirkung. Die BEHG-Grenze von 65 Euro wird also unter einer Ampel-Koalition genauso fallen wie unter „Jamaika“. Die 219 Euro des UBA erscheinen daher nicht unrealistisch.

Und das UBA spielt auch eine wichtige Rolle beim nEHS, denn dort ist die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) angesiedelt, die das nEHS-Register führt. Jeder Erdgasversorger und jede Firma der Mineralölindustrie muß dort registriert sein. Für jede Tonne CO2, die bei der Verbrennung von Brennstoff freigesetzt werden kann, muß ein nEHS-Zertifikat erworben werden. Verstöße haben drastische Strafen zur Folge. Den Unternehmen wird für eine „ungedeckte“ Tonne CO2 der doppelte Preis berechnet, zudem droht eine dauerhafte Sperrung des nEHS-Handelskontos.

Die Verkauf der nEHS-Zertifikate hat die EEX übernommen. Dort beginnt nun zusätzlich der Zertifikatehandel zwischen den Konten der Makler und der beteiligten Produktionsunternehmen. Die Firmen können untereinander die zunächst für 25 Euro erworbenen Zertifikate handeln, die somit, wie die Zertifikate des EU-ETS, zum Spekulationsobjekt werden. Wird beispielsweise der Winter 2021/22 unerwartet kalt, steigen die Heizkosten und zugleich der Heizöl- und Gasverbrauch. Die entsprechend höheren Mengen müssen die Unternehmen durch zusätzliche Zertifikate decken, sofern sie keinen entsprechenden Überhang beim Zertifikateeinkauf geplant haben.

Die Folgen eines hohen deutschen Gesamtverbrauchs an Gas, Öl und Kraftstoff wären dann für die Verbraucher besonders teuer: Sie müßten nicht nur die steigenden Verbrauchsmengen bezahlen, sondern auch noch weiter steigende Preise, da die Firmen an der EEX ihre Zertifikate dann untereinander zu einem Preis über dem Ausgabewert von 25 Euro handeln. Aber genau das beabsichtigt die  künftige „ökologische Marktwirtschaft“.

Die Einnahmen aus dem nEHS sollen in einen staatlichen „Energie- und Klimafonds“ fließen. Dieser soll den weiteren Anstieg der EEG-Umlage (derzeit 6,5 Cent pro Kilowattstunde) verhindern. Die Subvention von Wind-, Solar- und Biogasanlagen (2020: 30,9 Milliarden Euro) soll nun nicht nur über den Strompreis, sondern auch über den Sprit- und Gaspreis erfolgen. Da bleibt also nicht viele übrig für „sozial gerechte Ausgleichsmaßnahmen“ (SPD) oder das grüne „Energiegeld“, das „ jede*r Bürger*in erhält“.

CO2-Bepreisung durch das BEHG: www.dehst.de

Foto: Benzinpreise an Düsseldorfer Esso-Tankstelle: „Um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, wollen wir ein strenges CO2-Limit einführen, das von Jahr zu Jahr verbindlich weiter sinkt. Wir deckeln den CO2-Ausstoß und machen so Druck für den Wandel“, heißt es bei der FDP.