© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/21 / 08. Oktober 2021

Mit der Cancel Culture gegen den Rassismus der Normalität
Beleidigte Leberwürste
(wm)

Im September-Heft der Kulturzeitschrift Merkur startet die Redaktion mit ihrem Schwerpunkt „Identitätspolitik“ eine wackere Entlastungsoffensive für all jene, die unter dem Geschlagen-Sein mit ihrer eigenen Nichtigkeit leiden – von den Gender-Maniacs bis zu den „Kritischen Weißseins“-Dödeln. Das Lamento über „vermeintliche Diskursmacht“ solcher gern als „selbstgerecht“ diffamierter Minderheiten und deren angeblich „aufklärungsfeindliche Cancel Culture“, so tönen die Essays von Diedrich Diederichsen, Kevin Vennemann und Antonia Baum, sei nichts als Angst der Herrschenden vor dem Verlust von Privilegien. Gehe es doch darum, den „strukturellen Rassismus der Normalität“ zu schleifen und in einem pluralistischen Gemeinwesen Ansprüche gegen eine Mehrheit einzuklagen, „deren Interessen gänzlich anders gelagert sind“. In allen demokratischen Rechtsstaaten sollten solche identitätspolitisch formulierten Forderungen legitim sein. Daraus entspringender ständiger Dissens, soweit zivilisiert ausgetragen, sei auszuhaltende Selbstverständlichkeit. Für Diederichsen, Jahrgang 1957, Professor für „Vermittlung von Gegenwartskunst“ an der Akademie der bildenden Künste Wien, ist es zudem die Chance, nun 68er-Träume zu verwirklichen: „Wir waren nicht radikal genug.“ Aber die neue Internationale der „intersektional Benachteiligten“, der dauerbeleidigten Leberwürste dieser Welt, einschließlich der anti-israelischen Boykott-Bewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions), allesamt marktkonform „weltoffen“, nicht „festgelegt auf bestimmte Inhalte und Rollen“, so der feste Glaube dieses „weißen, alten Mannes“, führe den Sozialismus zum Sieg. 


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