© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/21 / 08. Oktober 2021

Im „Medienkrieg“
Youtube löscht RT DE: Moskau kündigt Konsequenzen an
Gil Barkei

Erst kürzlich hatte Luxemburg dem deutschsprachigen TV-Angebot von RT eine EU-Sendelizenz verwehrt. Deutschland hatte Druck auf das kleine Nachbarland ausgeübt, nachdem die Chancen einer deutschen Lizenz für den russischen Staatssender aussichtlos waren. 

Nun hat Youtube den Kanal von RT DE mit über 610.000 Abonnenten dauerhaft gelöscht. Ein Schlag für den über das Internet ausstrahlenden Sender. Auch der Kanal des RT-Formats „Der fehlende Part“ wurde von dem US-Videoportal verbannt. Auf ihn war RT DE zwischenzeitlich ausgewichen nachdem der Hauptkanal kurz vor der Bundestagswahl eine Woche lang gesperrt wurde. „RT DE hatte einen Strike für das Hochladen von Inhalten erhalten, die unsere Richtlinie gegen Covid-19-Desinformation verletzt haben. Die Folge dafür war eine Suspendierung der Erlaubnis, auf dem Kanal Videos hochzuladen“, erklärte die Google-Tochter gegenüber dem Branchendienst dwdl.de. „Während dieser Suspendierung hat RT DE versucht, diese Einschränkung zu umgehen, indem sie einen anderen Youtube-Kanal für den Upload ihrer Videos nutzten.“ Als Reaktion darauf seien beide Angebote „aufgrund der Verletzungen der Youtube Nutzungsbedingungen gekündigt“ worden. Ende September hatte die Plattform angekündigt, stärker gegen Falschinformationen beim Thema Impfen vorzugehen.

„Desinformation und russische Propaganda“

RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan reagierte mit Empörung auf die Eingriffe und sagte, Deutschland habe Rußland den „Medienkrieg“ erklärt. Zunächst „wollte man uns nicht reinlassen“, da dies aber nicht genügt, „haben sie uns einfach entfernt“. Simonjan erwartet nun von Moskau harte Konsequenzen gegen die Deutsche Welle und andere deutsche Medien bis hin zum Verbot sowie die unverzügliche Schließung der Büros von ARD und ZDF in Rußland. 

Ein Sprecher von RT DE sagte zudem der dpa, der Sender fühle sich „zu Unrecht beschuldigt und prüft derzeit juristische Schritte gegen die willkürliche Kündigung“. RT sieht in dem Fall eine neue Eskalationsstufe einer schon lange laufenden „Kampagne gegen RT DE“, die mit Warnungen vor einer „Beeinflussung der Wahlen“ in der Bundesrepublik ihren vorläufigen Höhepunkt hatte. „So äußerte das Magazin Politico nach seiner Übernahme durch den Springer-Verlag tiefe Besorgnis über das enorme Wachstum von RT DE auf Youtube und Twitter. Das Magazin beanstandete beispielsweise, daß RT DE im Bereich News und Politik im August 2021 bei Nachrichtenkanälen auf Platz 5 der Videoaufrufe lag. Auch medium.com, das Transatlantik-Bündnis Alliance for Securing Democracy und die NZZ sprangen auf die Kampagne auf“, hieß es auf rt.com.

Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor warf Google Zensur vor und drohte dem Konzern mit einer Strafe von bis zu einer Million Rubel (rund 11.750 Euro), wenn das Unternehmen die Maßnahme nicht zurücknehme. Bei weiteren Sperrungen könne die Summe auf drei Millionen Rubel steigen. Jedoch könnten auch „Maßnahmen zur vollständigen oder teilweisen Beschränkung“ gegen die Plattform getroffen werden.

Für Kremlsprecher Dmitri Peskow gibt es laut der russischen Staatsagentur Tass klare Anzeichen dafür, daß Gesetze der Russischen Föderation verletzt worden seien, und „dies mit Zensur zu tun hat, mit der Behinderung der Verbreitung von Informationen durch die Medien“. Das russische Außenministerium sprach von einem „beispiellosen Informationsangriff, der mit offensichtlicher Duldung, wenn nicht sogar auf Drängen der deutschen Seite begangen wurde“. Deutsche Medien seien „mehrfach bei der Teilnahme an der Einmischung in innere Angelegenheiten unseres Landes erwischt worden“. Konkrete Belege für diese Behauptung nannte das Ministerium allerdings nicht. Trotzdem kündigte es „symmetrische Antwortmaßnahmen“ gegen deutsche Medien in Rußland und gegen Youtube an, für die man sich an die „zuständigen Behörden wenden“ werde. Heikel: Youtube wird auch von der russischen Opposition genutzt. 

Die Bundesregierung wies die Anschuldigungen zurück. „Hier handelt es sich um eine Entscheidung von Youtube“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Und wer „Vergeltungsmaßnahmen“ gegen deutsche Medien in den Raum stellt, „der zeigt aus unserer Sicht kein gutes Verhältnis zur Pressefreiheit“. Rückendeckung gibt es vom Deutschen Journalisten-Verband. Die Löschung durch Youtube sei „längst überfällig“, „das Wirken von RT hat mit seriösem Journalismus nichts zu tun“, erklärte DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. „Dieser Kanal verbreitet Desinformation und russische Propaganda.“

Foto: RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan: Harte Reaktion Moskaus gewünscht