© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/21 / 08. Oktober 2021

Bundesverfassungsgericht auf dem Weg zum Weltgericht
Politischer Akteur geworden
(ob)

Um 70 Jahre Bundesverfassungsgericht zu würdigen, läßt die Bundeszentrale für politische Bildung einen juristischen Jubelchor antreten (Aus Politik und Zeitgeschichte, 37/2021). Kaum ein kritisches Wort trübt die Bilanz einer Institution, die, wie der Staatsrechtler Oliver Lepsius (Münster) tönt, „seit Jahrzehnten unter der Bevölkerung“ – er meint den Verfassungssouverän, das deutsche Volk – „wie im Ausland hohes Ansehen genießt“. Nicht zuletzt, weil diese „Mutter des Verfassungspatriotismus“, wie Lepsius im Habermas-Jargon frohlockt, dazu beigetragen habe, „die Deutschen zu Demokraten zu erziehen und der Gesellschaft der 50er Jahre den NS-Geist auszutreiben“. Heute setzen die Karlsruher Verfassungshüter diese erzieherische Mission im globalen Rahmen fort, wie die Politikwissenschaftlerin Tine Stein (Göttingen) lobt: Mit dem jüngsten „Klimaurteil“ hätten sie endlich einen universalistischen Geltungsanspruch erhoben und die Gesetzgebung des deutschen Nationalstaats in die Verantwortung für „Menschen in andern Teilen der Welt“ genommen. Was den einstigen Verfassungsrichter Udo Di Fabio (Bonn) immerhin zu der Frage provoziert, ob sich das BVerfG mit solchem Streben nach „tagesaktueller Wirksamkeit“ nicht in einen „politischen Akteur“ verwandle. 


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