© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/21 / 08. Oktober 2021

Umwelt
Jacken mit Superkräften
Tobias Albert

Nicht Jute-Beutel und Strickpulli, sondern iPhone und Smartwatch gehören zum Standardrepertoire der Klima- und Großstadtjugend. Wird dies bald durch „intelligente“ Kleidung ergänzt, deren Technologie ihren Träger zum James Bond 2.0 macht? Schweizer Forscher haben einen großen Schritt in diese Richtung gemacht. Essentiell für solche „smarten“ Produkte sind „Advanced Fibers“ zur Datenübertragung. Glasfasern sind für weite Distanzen ideal, aber nicht biegsam genug, um in der neuesten North-Face-Jacke verbaut zu werden. Aber es gibt Alternativen. Optische Leitungen haben immer einen inneren Kern und einen äußeren Mantel. Der Brechungsindex der beiden Werkstoffe ist so abgestimmt, daß das Licht das Kabel nicht verlassen und weiter nach vorn geleitet wird. Kunststoffasern sind biegsam, aber anfällig gegenüber Zugkräften (Physik Journal 8-9/21).

„Optische Datenleitungen sollen mit Hilfe von flüssigen Kernen künftig flexibler gemacht werden.“

„Sobald sich ein Mikroriß im Faserkern bildet, wird Licht daran gestreut und geht verloren“, erklärt Rudolf Hufenus von der Eidgenössischen Forschungsanstalt Empa. Seine Arbeitsgruppe will Fasern mit Hilfe von flüssigen Kernen flexibler machen. Doch da die Fasern sehr dünn sind, werden die Kapillarkräfte der Flüssigkeiten extrem stark und behindern das Befüllen des hohlen Mantels mit Flüssigkeit. Stattdessen nutzten die Forscher eine Spinndüse, der Glycerin für den Kern und ein Fluorpolymer für den Mantel als Flüssigkeiten zugeführt werden. Damit diese Werkstoffe schmelzen, benötigt es Arbeitstemperaturen von 200 bis 300 Grad und Druck zwischen 50 und 100 Bar. Wenn das Produkt abkühlt, wird der Mantel wieder fest, doch der Glycerinkern bleibt flüssig. Dieses Kabel besteht alle Flexibilitätsanforderungen und taugt nicht nur für Signalübertragung und Sensorik, sondern auch für Kraftübertragung in der Mikromotorik und Mikrohydraulik, glaubt Hufenus. Einem vernetzten „Advanced Jacket“ mit eingebauten Superkräften steht bald nichts mehr im Wege.

 empa.ch