© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/21 / 15. Oktober 2021

Meuthen und Laschet
Alles ist im Fluß
Dieter Stein

Allmählich kommt die CDU auf dem Boden der Tatsachen ihrer vernichtenden Wahlniederlage an. Jamaika entpuppt sich als Fata Morgana, Armin Laschet wird als Sündenbock in die Wüste reiten, darf zuvor noch die Neuwahl der Führung moderieren. Die wahre Totengräberin der Partei, Angela Merkel, schwebt indes entrückt über der Szenerie. Wollte die CDU einen echten Neuanfang, müßte sie eine Generalabrechnung mit Merkels desaströser Politik an den Anfang stellen. Doch wo sind Köpfe hierfür, wo der Mut dazu? 

Da verkündet Jörg Meuthen, nach sechs Jahren Amtszeit auf dem AfD-Parteitag im Dezember als Bundessprecher nicht erneut anzutreten. Diese Nachricht kam für wenige überraschend. Meuthen hat sich verschlissen im Bemühen, die AfD vor einem Abdriften in ein sich selbst radikalisierendes Ghetto zu bewahren. Zuletzt fehlte ihm jedoch eine Hausmacht, weshalb er auch auf die Kandidatur für den Bundestag verzichten mußte. Dabei machte er entscheidende Punkte: Er erzwang mit einer Mehrheit im Bundesvorstand die Auflösung des „Flügels“ und die Enthauptung des Netzwerks durch den Ausschluß des Hauptstrippenziehers Andreas Kalbitz. Und er setzte eine robuste juristische Abwehrstrategie gegen den Verfassungsschutz durch, die schon zu einer Reihe von Erfolgen vor Gerichten geführt hat. 

Läßt sich die AfD weiter in die Isolation treiben, oder setzt sie dem endlich eine klare Strategie entgegen? 

CDU und AfD stellen voraussichtlich im Dezember ihre Weichen. Auf der einen Seite eine personell ausgezehrte, programmatisch entkernte CDU: Wird sie den Weg der Unterwerfung unter eine links-grüne Agenda fortsetzen, oder gibt es Korrekturen zu einem konservativeren Profil?

Auf der anderen Seite die durch Verluste bei der Bundestagswahl ebenfalls ernüchterte AfD, die sich entscheiden muß: Läßt sie sich unter dem Druck einer repressiven Öffentlichkeit und des Verfassungsschutzes weiter in eine von ihren Gegnern erwünschte gesellschaftliche Isolation treiben, oder setzt sie dem endlich eine klare Strategie entgegen, die wieder Wähler in der Breite zurückgewinnt? Wer nach dem Rückzug Meuthens, der weit über seine Partei hinaus Sympathien genoß, personell dafür steht, ist derzeit fraglich. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Überleben der AfD – vor allem im Westen – ist die Abwehr des Stigmas der Verfassungsfeindlichkeit.

Bleibt es bei der skandalösen gesellschaftlichen Ächtung der AfD und ihrer – teilweise – selbstgewählten Isolation, dann wird es bis auf weiteres nicht zu gestalterischen Mehrheiten jenseits von Links-Mitte kommen. Eigentlich hätte es darüber längst einen offenen Diskurs geben müssen, wie solche Mehrheiten einmal tragfähig gemacht werden. Es geht dabei schlicht um die Politikfähigkeit des konservativen Milieus.