© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/21 / 15. Oktober 2021

Gegen den Gleichheitsgrundsatz
Verfassungsschutz: In Sachsen-Anhalt wird das Institut für Staatspolitik nun als „erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ verortet
Moritz Schwarz

Der Verfassungsschutz des Landes Sachsen-Anhalt stuft das in Schnellroda im Saalekreis ansässige Institut für Staatspolitik (IfS) als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung ein. Dies geht aus dem jüngst veröffentlichten Jahresbericht der Behörde hervor. Das IfS stelle ein „geistiges Gravitationszentrum“ innerhalb des „neurechten“ Netzwerks dar und betreibe eine Diskursverschiebung nach „rechts“. Dies betreffe die Verbreitung „rassistischer und biologistischer Sichtweisen“ samt „fremdenfeindlicher, antiegalitärer und völkischer“ Elemente.

Das Institut für Staatspolitik wurde im Jahr 2000 von dem Verleger Götz Kubitschek und dem Historiker Karlheinz Weißmann gegründet. Es veranstaltet zweimal jährlich „Akademie“-Wochenenden sowie Vorträge und Kongresse. Zum anderen arbeitet es publizistisch, gibt neben dem zweimonatlich erscheinenden Theoriemagazin Sezession mehrere Schriftenreihen heraus. 2008 gab Kubitschek die Führung des IfS an seinen ehemaligen Verlagsmitarbeiter Erik Lehnert ab (siehe Interview Seite 3). 

2014 verließ Karlheinz Weißmann das IfS im Streit um die Ausrichtung sowie die Redaktion der Sezession. Nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz im April öffentlich gemacht hatte, daß es das IfS als „Verdachtsfall“ beobachtet, mußte Lehnert seinen Posten als Schriftführer im Vorstand der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung räumen (JF 21/20). 

„Exkludierende Ideologie“ widerspricht dem Grundgesetz

Der Verfassungsschutz wirft dem IfS konkret vor, es vertrete „ethnopluralistische Konzepte“. Denen liege die Annahme zugrunde, „daß der Begriff des Staatsvolkes in einem exklusiv abstammungsmäßigen Sinne zu definieren ist“, heißt es im aktuellen Jahresbericht des Bundesamts für Verfassungsschutz. Eine „exkludierende Ideologie“, die ethnischen Minderheiten die Zugehörigkeit zum Staatsvolk abspreche, sei unvereinbar mit dem in Artikel 1 des Grundgesetzes festgeschriebenen Gleichheitsgrundsatz, argumentiert die Behörde. Im übrigen, so teilte das Bundesamt im vergangenen Jahr der JUNGEN FREIHEIT mit, beriefen sich Autoren des IfS „auf ein vermeintliches Widerstandsrecht, in dessen Rahmen die Anwendung von Gewalt im äußersten Fall als legitim erachtet wird“. Im Auge haben die Verfassungsschützer dabei beispielsweise Passagen einer Studie zum politischen Widerstandsrecht („Wir Deutsche sind das Volk“) von Thor von Waldstein. Darin heißt es an einer Stelle: „Gewalt gegen Sachen“ dürfe unter bestimmten Umständen „als gerechtfertigt im Sinne des Grundgesetz-Artikels 20“ erachtet werden. 

Besondere Aufmerksamkeit erhält das Institut in den Medien vor allem wegen seines Einflusses auf Teile der AfD sowie wegen seiner Verbindung zum Gründer Götz Kubitschek. Dieser ist ihm etwa als Referent und Chefredakteur der Hauszeitschrift Sezession sowie dessen Online-Version Sezession im Netz (SiN) nach wie vor verbunden und gilt als Vertrauter des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke sowie als Vordenker der „Neuen Rechten“.  Seine nicht offengelegte Zusammenarbeit mit „aktionistischen Gruppierungen“ in diesem Spektrum ist für den Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt ein weiterer Anlaß, das IfS ins Visier zu nehmen. Die Einstufung als „erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ beinhaltet in der Regel auch die Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln – also einer Überwachung von E-Mails, Telefonaten oder das Abschöpfen von Vertrauensleuten („V-Leuten“). Das sei im Falle des IfS bereits geschehen, berichtete Zeit online unter Berufung auf Sicherheitskreise. 

Auf Anfrage der jungen freiheit, ob dies zutrifft, teilte das Magdeburger Landesamt für Verfassungsschutz mit, es könne „zum konkreten Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel“ nichts sagen. Grundsätzlich gebe man keine konkrete Auskunft „über die im Einzelfall angewendeten Methoden, Gegenstände und Instrumente“. Dadurch solle „verhindert werden, daß Gegner unserer Demokratie auf Grundlage dieser Informationen ihre Handlungen entsprechend anpassen“, so ein Sprecher der Behörde.