© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/21 / 15. Oktober 2021

Ländersache: Nordrhein-Westfalen
Schlag ins Hawala-Kontor
Paul Leonhard

Es war ein sorgfältig geplanter Schlag gegen Islamisten. Bei einer Großrazzia mit insegesamt 1.400 Einsatzkräften wurde nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul (CDU) ein großes Geldwäschenetzwerk ausgehoben. Luxusgüter im Wert von rund fünf Millionen Euro sowie rund 1,3 Millionen Euro Bargeld konnten die Beamten vergangene Woche in den 85 durchsuchten Objekten beschlagnahmen. 67 Personen wurden bei den gleichzeitig in 25 Städten durchgeführten Razzien festgenommen. Etliche Verdächtige, darunter auch die beiden Drahtzieher der Bande, seien ab 2015 als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, um Asyl zu beantragen.

Zehn Beschuldige blieben nach dem Großeinsatz in Untersuchungshaft, darunter ein islamistischer Gefährder. Der 39jährige Syrer soll Mitglied der terroristischen Al-Nusra-Front sein. Insgesamt dürfte das Unrechtsbewußtsein bei den Festgenommenen nicht groß sein. Hatten sie doch lediglich ein Überweisungssystem mit nach Deutschland gebracht, das in ihren Ländern üblich ist. Beim sogenannten Hawala-Banking werden gegen Provisionen hohe Summen ins Ausland tranferiert (JF 26/17): Das Geld wird der gewünschten Person in Echtzeit gutgeschrieben. Täglich sollen so zwischen 700.000 und einer Million Euro umgesetzt werden. Neben der Geldwäsche dient es dazu, daß Flüchtlinge oder Asylbewerber das ihnen vom deutschen Staat ausgezahlte Geld möglichst schnell an ihre in der Heimat verbliebenen Familien transferieren können.

Da ein Hawaladar – also ein Mitarbeiter dieses Hawala-Netzwerks – qua ungeschriebenem Gesetz weder betrügt noch sich mit kriminellen Organisationen einläßt, dürfte bald auch den ermittelnden Staatsanwälten klar werden, daß die vorgebrachten Tatvorwürfe wie räuberische Erpressung, Drogenhandel, Geldwäsche, Terrorfinanzierung, Betrug und illegale Finanzgeschäfte an den Beschuldigen abprallen werden. Der Terrorfinanzierung sei mit dem Einsatz „ein extrem ergiebiger Geldhahn abgedreht worden“, zeigte sich Minister Reul zufrieden. Einigen der am Mittwoch vergangener Woche Festgenommenen oder Verdächtigten – 44 Syrer, zehn Deutsche, fünf Jordanier und vier Libanesen – werden auch Gewalttaten wie bewaffneter Raub und Geiselnahme zwecks des Eintreibens von Geld vorgeworfen. Insgesamt sollen sie mehr als 140 Millionen Euro über Zahlungsbüros in den Niederlanden in die Türkei und nach Syrien geschleust haben, wo es wohl auch zur Terrorfinanzierung genutzt wurde. 

Der festgenommene 39jährige Syrer soll laut Staatsanwaltschaft zudem in Wuppertal drei ehemalige Kämpfer seiner syrischen Miliz als Schlägertrupp zum Geldeintreiben bei Schuldnern beschäftigt haben. Verdeckte Ermittler erfuhren Details zum Sanktionsregime: „Beim ersten Mal zusammenschlagen, beim zweiten Mal verstümmeln, beim dritten Mal umbringen.“

Auf die Spur der Hawala-Banden kam die Polizei im Frühjahr vergangenen Jahres per Zufall: Nach einem Unfall mit Fahrerflucht fanden Beamte im Fahrzeug einen Beutel mit 300.000 Euro in bar.