© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/21 / 15. Oktober 2021

Ideen von Mißgunst, Neid und Rache
Mises-Konferenz: Scharfe Analyse sozialistischer Heilserwartungen
Christian Dorn

In der DDR wurden bereits Erstkläßler als „Jungpioniere“ auf Staat und Sozialismus eingeschworen. Und die Indoktrination nahm bis zum Abschluß der Ausbildung kein Ende. Doch ohne die sowjetische Besatzungsarmee und ihre einheimischen Helfer hätte der Spuk keine 40 Jahre gedauert. Heute firmiert die Heilsgewißheit unter dem Dach der „Klimakirche“ – und wer will unseren Planeten denn nicht vor vier Grad Erwärmung retten? Das können doch nur vermeintliche Unmenschen sein! Deswegen wird sich am 22. Oktober kaum einer den „Fridays for Future“-Anhängern entgegenstellen, wenn diese sich zu einem „Zentralstreik in Berlin“ treffen.

Was nach der Klimarevolution kommt, kann in der Vorstellung ihrer Anhänger wohl nur das CO2-freie Paradies auf Erden sein. Insofern war das Motto der jüngsten Mises-Konferenz treffend gewählt: „Die Verheißungen des Sozialismus – Vergangenheit und Zukunft einer machtvollen Idee“. Denn trotz seines Niedergangs 1989 scheint er heute „auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt“, wie es in der DDR-Hymne von Johannes R. Becher hieß.

Vertreter des Sozialismus weichen Argumenten strategisch aus

Tatsächlich, so der Soziologe Erich Weede, erlebten wir mit Blick auf das kommunistische China bei den Verstaatlichungsprozessen und Reglementierungen eine „unerfreuliche Konvergenz“. Gleichwohl solle sich niemand die Hoffnung machen, daß das Land und sein KP-Regime demnächst kollabiere.

Vertreter des Marxismus und Sozialismus wüßten, daß ihre Ideen keiner Kritik standhielten, weshalb sie „Immunisierungsstrategien“ entwickelten, um sich nicht argumentativ damit auseinandersetzen zu müssen, verdeutlichte Thorsten Polleit, der als Präsident des Ludwig-von-Mises-Instituts Deutschland Gastgeber der Konferenz war. Der Volkswirt beobachtet eine „Chinaisierung des Westens“. Mises als Liberaler und Mitbegründer der Österreichischen Schule der Wirtschaftswissenschaften wußte, daß ein Land, in dem der Sozialismus eingeführt wird, nicht funktionieren kann. Da die Produktionsmittel dort nicht in privater Hand seien, gebe es auch keine Marktpreise für diese, weshalb es auch keine Marktpreise für die Produkte geben könne. Hinzu träten Willkür und Machtmißbrauch durch die zentrale Befehlsgewalt.

Aktuell werden die Themen Corona und Klimawandel laut Polleit von den Sozialisten als trojanische Pferde für ihre Pläne zur staatlichen Lenkungswirtschaft eingespannt. Dabei lebten wir gar nicht im Kapitalismus, sondern in einem „interventionistischen System“. In einem wirklich kapitalistischen System wären die Einkommen sowie die Produktivität höher, führte der Volkswirtschaftler aus. Tagesaktuell werde der quasistaatliche Eingriff an den „Klimakommissaren“ deutlich, die neuerdings – analog zu den Parteisekretären im sozialistischen Betrieb – im Kulturbereich angestellt würden, um die CO2-Bilanz des jeweiligen Museums, Theaters oder der Filmproduktion zu kontrollieren.

In diesem Kontext erläuterte der Ökonom Guido Hülsmann unter Verweis auf die 1922 erschienene Mises-Schrift „Die Gemeinwirtschaft“ die mit staatlichen Reglementierungen einhergehende Interventionsspirale. Unternehmer entzögen sich den Vorgaben durch Verlagerung ihrer Firmenpräsenz. Folglich seien die staatlich erwarteten Ergebnisse zu schwach, weshalb die Reglementierung verschärft werde, was wiederum zu bestimmten Ausweichmanövern der Betroffenen führe und schlußendlich zur Planwirtschaft.

Die Renaissance des Sozialismus gründe dabei auf Mißgunst, Neid, Rache und Groll, kritisierte der in Madrid lehrende Volkswirtschaftler Philipp Bagus. Die Empfindungen würden im politischen Programm von Karl Marx zu einem progressiven Gesellschaftsentwurf verklärt. In einen wissenschaftlichen Anspruch gekleidet, erschienen sie daher auch für die Intellektuellen attraktiv. Aktuell äußere sich dieses vorgeblich wissenschaftliche Sendungsbewußtsein im Klima-Mantra „Follow the Science“ („Folgt der Wissenschaft“).

Einen besonderen Eindruck hinterließ auch der Auftritt von Birgit Kelle. Beim Titel ihres Vortrags „Mann, Frau und Familie im Sozialismus“ wisse man im ersten Augeblick nicht, ob von der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft die Rede sei, so die treffliche Bemerkung der bis 1984 im sozialistischen Rumänien aufgewachsenen Publizistin. Diese Irritation sei bezeichnend genug, um den Ernst der aktuellen Situation zu ermessen. Sozialismus, so Kelle, sei mit der Familie nicht vereinbar, da diese zugleich das kleinste „Kollektiv“ verkörpere. Daher erscheine sie auch heute den linken Gesellschaftsingenieuren als größtes Hindernis.

Das Kollektiv ist nicht Verheißung, sondern Drohung

Beispielhaft für den übergriffigen Staat sei auch die Formel des „Wir“, wie etwa der SPD-Wahlslogan von 2013 „Das Wir entscheidet!“ oder Angela Merkels Diktum „Wir schaffen das“. Dazu äußerte die dem Sozialismus entkommene Kelle: „Dieses Wir war noch nie eine Verheißung, sondern schon immer eine Drohung.“

Überhaupt bedeute Sozialismus die Enteignung auf allen Ebenen. So verlören wir derzeit mit der faktischen Impfpflicht und der Organspende-Forderung die Hoheit über unseren Körper – im Namen des Kollektivs. Nahezu alle Parteien arbeiteten an der „Befreiung der Frau“. Feministinnen der LGBTIQ-Szene projizierten ihre persönliche Verantwortung auf das von ihnen als „heteronormativ“ und patriarchalisch stigmatisierte System, dessen Abschaffung sie forderten.

Kelle warnte die vorwiegend männliche Zuhörerschaft im Münchner Hotel „Bayerischer Hof“ eindringlich: „Sie müssen sich als Ökonomen mit der Familienpolitik befassen!“ Wichtig seien nicht mehr Leistungen, sondern weniger Besteuerung. Der Warnruf der Publizistin konnte derweil zugleich als Schlußwort gelten: „Unterschätzen Sie nicht die Institutionen, die keine ökonomischen Rollen spielen.“ Auch die Revolution 1989 in der DDR sei von den Kirchen ausgegangen.

„Die Verheißungen des Sozialismus – Vergangenheit und Zukunft einer machtvollen Idee“: www.misesde.org