© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/21 / 15. Oktober 2021

Der Umbau ist in vollem Gang
Der Publizist Friedrich Pohlmann beleuchtet Facetten des Übergangs in die Welt von morgen
Felix Dirsch

Schon seit einer Weile breitet sich die Stimmungslage aus, in Zeiten einer großen Transformation zu leben. Spätestens seit 2015/16 sehen sich viele Bürger dem illegalen Massenzustrom von Fremden, der das Land irreversibel und andauernd verändert, ohnmächtig gegenüber. Hinzu kommt die meist simplifizierende Klima-Propaganda mit ihren so einschneidenden Implikationen wie der „Energiewende“, die eine komplette Umstellung der Lebensgewohnheiten der meisten Deutschen und weiter darüber hinaus fordert. 

Seit dem Frühjahr 2020 greift zudem eine Corona-Regierung, man mag sie „Sonderrechtsregime“ nennen, nachhaltig in die Freiheitsrechte der Bürger ein, die nunmehr in Geimpfte und Ungeimpfte separiert werden und deren Lebensgewohnhehiten durch die aktuellen 3G- und erst recht durch die 2G-Regel massiv beeinträchtigt werden. Der Verlust der Freiheit, jüngst von dem Künstler und Publizisten Raymond Unger in vielen Einzelheiten untersucht, ist ein wesentliches Signum der Zeit und wird wohl weiter voranschreiten.

Zu jener wachsenden Zahl von Autoren, die gegen diese Tendenzen ihre Stimme erheben, zählt der Publizist und einstige Hochschuldozent Friedrich Pohlmann. Er analysiert in luziden Essays nicht nur die betreffenden Wandlungsprozesse, sondern auch den medialen Überbau. Der Leser darf in den Einzelstudien keine systematischen Erörterungen zur zentralen Thematik erwarten. Die Texte sind bereits an anderen Orten erschienen. Dementsprechend hängen Überlegungen, die in einigen Aufsätzen angestellt werden („Mein Achtundsechzig“, „Die Rückkehr der Besiegten“, über den Gegenwartsantisemitismus und so fort), mit der Problematik der Transformation allenfalls am Rande zusammen.

Besonders hervorzuheben ist der abschließende Beitrag („Widerstand im Reich der Großen Lüge“). Er sollte zuerst gelesen werden, da er deutlich macht, in welche Kontexte der 1950 geborene Verfasser die augenblickliche Zäsur stellt. Von den historischen Grundlinien her betrachtet, fällt auf, daß die Vielzahl neuzeitlich-utopischer Entwürfe an die schöne neue Welt erinnern, die die Transformisten gern am Horizont aufscheinen lassen. Sie erstreben eine dekarbonisierte, klimaneutrale, multikulturelle wie infektionsfreie Zukunft. Begleitet wird die Propagierung solcher Ziele, die sich natürlich nicht ohne erhebliche Freiheitsbeschränkungen realisieren lassen, von der „Phraseologie des humanitaristischen Moraluniversalismus“. Dieser intendiert vor allem die Dekonstruktion von Partikularitäten wie Familie, Volk und Nation. Das mitunter an Orwell erinnernde Sprachregiment, das verwendete Manipulationsmethoden wie das Framing offen diskutiert, ist ein zentrales Element der Neuen Ordnung – egal, ob man diese nun „Great Reset“, Weltregierung oder sonstwie umschreibt.

Der Autor erörtert neben solchen wesentlichen Gegenwartsdebatten weitere relevante gesellschaftliche Entwicklungen. Dazu zählt das sich stark verändernde Verhältnis der Geschlechter. Die Krise der Männlichkeit geht einher mit rapide abnehmender Wehr- und Verteidigungsfähigkeit, aber auch mit in den letzten Jahrzehnten massiv abgewerteten Tugenden wie Mut und Zorn. Sie dürfen höchstens noch virtuell ausgelebt werden oder als inszenierte Aggression auf dem Sportplatz. Fraglich ist, inwiefern das starke Einströmen besonders testosterongesteuerter junger Männer in diesem Punkt eine Kehre bedingt. Der Aufsatz „Die Weltreligionen und die Gewalt“ leuchtet dieses Thema in groben Zügen aus. Insgesamt kann man die Texte als analytisch tiefgründig, kenntnisreich und sprachlich brillant bezeichnen. Sie tragen dazu bei, die Gegenwart besser zu verstehen.

Friedrich Pohlmann: Das Reich der großen Lüge. Essays zur Transformation Deutschlands. Manuscriptum Verlagsbuchhandlung, Lüdinghausen/Berlin 2021, gebunden, 236 Seiten, 23 Euro