© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/21 / 22. Oktober 2021

Coronavirus
Die Pandemie kommt
Mathias Pellack

Die „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“ soll fallengelassen werden. Doch im selben Atemzug verkündet der noch amtierende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), daß einige Corona-Maßnahmen noch für ein weiteres Jahr bestehen bleiben. Pandemie beendet? Mitnichten! Es bleibt bei 3G, 2G, Impfdruck und Spaltung der Gesellschaft.

Hessen verschärfte jüngst wieder in unsinniger Weise die Regeln. Studien widerlegen, daß generelle 2G-Regeln die Verbreitung von Sars-CoV-2 besser bremsten als 3G. So ist es ein Spiel mit dem Feuer, daß manche Krankenhäuser Hessens 2G auf die Besucher anwenden. Geimpfte, aber ungetestete „Superspreader“ – Personen also, die, obwohl voll immunisiert, das Virus in vergleichsweise großen Mengen ausatmen – sind ansteckender als korrekt Getestete.

Zudem ist es unmenschlich, auf diese Weise einigen Kranken den Besuch durch ihre Liebsten vorzuenthalten, weiß man doch seit Urzeiten, daß glückliche Menschen schneller gesunden.

Die politische Richtung dürfte damit skizziert sein. Aufgabe der Kritiker ist es, die Freiheit zu verteidigen.

Aber was erwartet man schon von einem Land, in dem selbst Kirchengemeinden 2G+ anwenden. Das Plus ist dabei ein Feigenblatt. Um der Definition nach keine Gruppe komplett auszuschließen, werden abgezählt wenige Ungeimpfte getestet in die Gotteshäuser wie den Wormser Dom gelassen.

So scheinen uns heute die Supermärkte von Aldi, Lidl, Rewe und Co. wie Leuchttürme der Gleichheit. Auch hier wollten Hessen und Niedersachsen die neuen biopolitischen Ausgrenzungsregeln anbringen. Doch die Konzerne lehnten eine 2G-Pflicht ab. Aldi Nord positionierte sich klar: „Einzelne Kundengruppen vom Einkauf auszuschließen, würde grundsätzlich unserem Selbstverständnis des zuverlässigen Grundversorgers widersprechen.“ Sätze, die vor 2020 selbstverständlich gewesen wären.

Seither trat der gesamtgesellschaftliche Gesundheitsschutz mit aller Macht in unser Leben. Der Staatsphilosoph Jürgen Habermas rechtfertigt die harten Eingriffe – und vorweg auch noch härtere. Der Staat müsse auch in solchen Ausnahmesituationen handlungsfähig bleiben, fordert er. Und: Wer nicht auswandere, stimme dem zu. Damit dürfte die politische Richtung der kommenden Jahre skizziert sein. Die Aufgabe der Kritiker ist es, die Freiheit zu verteidigen.

Unsere Gesellschaft muß hier schnellstmöglich zu einem vernünftigen Mittelweg, zwischen einem staatlich geregelten Gesundheitschutz – der individuell nicht erreichbar wäre – und den Grundrechten der Bürger finden. Denn die nächste Pandemie kommt sicher.