© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/21 / 22. Oktober 2021

Christoph Ploß. Der junge Hamburger zählt zu den Nachwuchshoffnungen der sich neu sortierenden CDU.
Rechts blinken
Friedrich-Thorsten Müller

Wenn eine Regierungspartei eine schwere Wahlniederlage erlebt und auf dem Weg in die Opposition ist, kommt die Stunde der Neuen. Die ist meist auch eine Stunde der Jungen, wie im Fall des 36jährigen Hamburger CDU-Vorsitzenden, der gerade einmal ein Jahr dem Alter der Jungen Union entwachsen ist und inzwischen viel mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht. Auch wenn noch nicht abzusehen ist, welche Rolle der promovierte Historiker und Sozialwissenschaftler im kommenden Präsidium der Bundespartei einnehmen wird. Gleiches gilt für die neue Fraktion im Bundestag, in die er, diesmal über die Landesliste, zum zweiten Mal nach 2017 einziehen konnte. 

Doch immer mehr CDU-Granden, wie Peter Altmaier oder Annegret Kamp-Karrenbauer, ziehen sich zurück, um Platz für die Erneuerung der Union zu machen. Christoph Ploß wird ziemlich sicher Teil der Neuaufstellung sein und könnte künftig, mit dem Freiraum einer Oppositionspartei im Rücken, zu einer konservativeren Tonlage der Union im Bundestag beitragen. Denn der gebürtige Hanseat, der so telegen, jung und modern wirkt– im Gegensatz zum nochmal sieben Jahre jüngeren Philipp Amthor –, machte schon vor der Wahl mit Wortmeldungen gegen den Zeitgeist von sich reden. Frauenquote? Geht es nicht auch durch Verbesserung der Rahmenbedingungen für Frauen! Gendern? Seine Ablehnung der Sternchen in staatlicher Kommunikation ging durch die ganze Medienlandschaft. In einem Beitrag für die Welt, gemeinsam mit dem CDU-Mittelstandschef Carsten Linnemann, wandte er sich darüber hinaus gegen linke „Wokeness“ und plädierte für ein „Soziales Jahr für alle“. Koalitionen mit den Grünen? Für ihn, dessen Vater, ein promovierter Chemiker, im Kofferraum aus der DDR flüchten mußte, ist die Zusammenarbeit mit einer Partei, die „die Antifa hofiert“, „die Freiheit einschränken“ will und für „Verbote, Gängelungen und staatliche Bevormundung“ steht, unvorstellbar.

„Rechts blinken“, wie Ploß es andeutet, führt nur dann zum Erfolg, wenn man bereit ist, entsprechend abzubiegen.

Nur konsequent, daß Ploß sich im Januar bei der Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden gegen den Merkel-Schüler Armin Laschet stellte. Auch jetzt fallen ihm bei Markus Lanz, nach den Union-Hoffnungsträgern für morgen befragt, zuerst Ordnungspolitiker wie Friedrich Merz und Carsten Linnemann – allerdings auch Jens Spahn – ein, um das Profil der Partei „zu verbreitern“. Nicht ganz falsch, wenn Ulrike Herrmann von der taz ihn in derselben Sendug daran erinnert, daß die alle „schon da sind“, man das also auch als „Verengung“ betrachten könne, die nur noch in Richtung FDP als Partner ziele. 

In der Tat dürfte es die strategische Komponente sein, die in der Erneuerungsrechnung nicht aufgeht: Wer aus dem Niedergang der christdemokratischen CDU-Partner in Europa lernen will und, wie Ploß, Österreich als positives Beispiel nennt, ja schon fast dabei war, sich zu einer Art deutschem Sebastian Kurz aufzuschwingen, der muß sich auch dessen strategischen Spielraum schaffen. Denn „Rechts blinken“, wie es Ploß auch für die Ausländerpolitik andeutet, führt nur dann zu Erfolg, wenn man auch bereit ist, wie Kurz 2017 zur FPÖ, entsprechend abzubiegen. Davon aber ist die Union, bezogen auf die FPÖ-Schwester AfD, im Moment noch Lichtjahre entfernt.