© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/21 / 22. Oktober 2021

Aktuelle Gemeinschaftsdiagnose sieht geringere Konsummöglichkeiten
In die Zange genommen
Reiner Osbild

In der aktuellen Gemeinschaftsdiagnose (GD) wird die Katze aus dem Sack gelassen: „Politik und Bevölkerung in Deutschland haben noch nicht ganz verstanden, daß der Klimaschutz bedeutet, daß wir den Gürtel enger schnallen müssen“, erklärte GD-Sprecher Oliver Holtemöller (IWH). Nun ist den Ökonomen von sieben Wirtschaftsinstituten insoweit zuzustimmen, als rationale Klimapolitik nicht über kleinteilige, kontrollintensive sektorale Vorschriften funktioniert. Die klassischen Lösungswege sind der Handel mit Verschmutzungsrechten sowie eine Steuer auf das als schädlich geltende CO2. Der Vorteil des teilweise bereits obligatorischen Emissionshandels liegt darin, daß sich die Menge des emittierten CO2 damit exakt vorgeben läßt, während sich der Preis am Markt ergibt.

Mit der gewollten Verknappung der CO2-Rechte soll ein permanenter Preisanstieg entstehen, der an die Verbraucher weitergegeben wird. CO2-intensive Industrien werden verlagert und die Arbeitslosigkeit steigt; auch dies bedeutet Konsumverzicht – für die Betroffenen und ihre Familien. Doch wenn Firmen ins Ausland abwandern, ist dem Weltklima nicht gedient, denn der Erdatmosphäre ist es gleich, aus welchem Land das CO2 kommt. Unser Klima ist globales öffentliches Gut. Aber wenn nur wenige Länder es schützen, während andere so wirtschaften wie bisher, dann werden die ersteren die vollen Kosten schultern müssen, ohne in den Genuß möglicher Vorteile zu kommen. Das Pariser Abkommen von 2015 ist so schwammig gefaßt, daß nur wenige Länder bindende Selbstverpflichtungen eingegangen sind, von Überprüfbarkeit oder Sanktionen ganz zu schweigen.

So haben von den 195 Unterzeichnern keine zwei Dutzend Gesetze zur Emissionsrückführung erlassen. China darf sogar noch mehr ausstoßen als bisher. Selbst wenn alle Länder ihre Versprechungen bis zum Jahr 2100 umsetzen würden, ergäbe sich laut dem dänischen Statistiker Bjørn Lomborg nur eine Reduktion um weniger als neun Prozent der laut UN benötigten klimarelevanten Menge, um die Erd­erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Eine drastische Verteuerung des CO2-Ausstoßes würde die Armen besonders treffen. Es müßte also eine Umverteilungsorgie in Gang gesetzt werden, um einen sozialen Ausgleich zu schaffen. In Deutschland würden die geburtenschwachen mittleren Jahrgänge in die Zange genommen: Neben exorbitant steigenden Ausgaben für Rente, Gesundheit und Pflege einer alternden Bevölkerung, müßten sie – im Verbund mit etwa 20 anderen Staaten – die Kosten der globalen Klimarettung für die ganze Welt schultern.

Dermaßen zerquetscht zwischen finanziellen Anforderungen von allen Seiten, werden die Anreize, zu arbeiten, unternehmerische Risiken einzugehen und Kinder großzuziehen, auf breiter Front einbrechen. Weniger Wachstum, weniger öffentliche Einnahmen und Verarmung wären die Folgen. Besser ist es, sich mit gezielten Investitionen auf die Folgen eines möglichen Klimawandels vorzubereiten; die so geschaffene Infrastruktur würde auf jeden Fall den Menschen helfen, während die heutigen Einschränkungen, sofern von nur wenigen Ländern gelebt, zu verpuffen drohen. Auch der technische Fortschritt gedeiht besser in einer wachsenden als in einer schrumpfenden Ökonomie. Insofern sind die GD-Autoren zu kurz gesprungen.






Prof. Dr. Reiner Osbild ist Ökonom und Ordinarius an der Hochschule Emden/Leer.