© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/21 / 22. Oktober 2021

Die Antifa zieht aus
Kein Platz für Linksextremisten: Nach 30 Jahren räumt die Polizei berüchtigten linken Treffpunkt in Berlin
Martina Meckelein

Eine Frau brüllt ins Megaphon und ist über die ganze Köpenicker Straße zu hören: „Bullenschweine“, „Mörder“ und „Hunde“. Der Haß auf den Staat und die Freude an Gewalt ist mit Händen zu greifen. Eine der letzten Bastionen der Linksextremisten in Berlin ist am vergangenen Freitag durch die Polizei geräumt worden: das Köpi, eine Bauwagenburg in Berlin-Mitte. Innerhalb einer Stunde durchbrach die Polizei mit Panzerwagen, Schweißbrennern und Motorsägen an verschiedenen Stellen des besetzten Geländes bei der Köpenicker Straße 137 den vier Meter hohen, mit Stacheldraht und Metallplatten verstärkten Zaun. 

2.000 Beamte hatte der Staat an diesem Tag aufgeboten, nur um einer Gerichtsvollzieherin Amtshilfe zu leisten. Am Abend eskalierte die Situation. Ein weiteres Beispiel für 30 Jahre verfehlte Sicherheitspolitik. Und nein, mit der Räumung des Köpis ist der linken Szene zwar ein schwerer Schaden entstanden, aber sie wird den Krieg gegen einen bürgerlich-konservativen Staat nicht aufgeben – er wird sich nur verlagern, in die Peripherie.

„Köpi-Platz Tag X zum Desaster machen!“ Seit Tagen riefen die Linksextremisten im Internet zum Kampf gegen die Räumung des Bauwagenareals auf. Das Köpi ist ein 2.600 Quadratmeter großes Gelände, bestehend aus drei zusammenhängenden Grundstücken, das seit 30 Jahren besetzt war. Ein Symbol der linksextremistischen und Antifa-Szene. Eines von nur noch wenigen. Und darunter leidet die Szene.

Der Verlust bekannter Treffpunkte schmerzt die Linksextremen 

„Insbesondere die Räumung des Hauses in der Liebigstraße 34 hat die linksextremistische Szene geschwächt. Dabei geht es nicht nur um Infrastruktur, die nicht mehr zur Verfügung steht und die unter den derzeitigen Bedingungen auch nicht problemlos zu ersetzen sein dürfte“, analysierte 2020 der Berliner Verfassungsschutz die Räumung des linksextremistischen Szeneobjektes in der Liebigstraße 34 in Friedrichshain-Kreuzberg. „Entscheidender dürften Ohnmachtserfahrungen auf seiten der Akteure sein, der Räumung letztlich nichts entgegensetzen zu können. Dies dürfte zu Ratlosigkeit und Resignation innerhalb der Szene geführt haben.“

Eine zu kurz gesprungene Schlußfolgerung der Schlapphüte. Sicher, die Räumungen schwächen die Linksextremen. Im Mai berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland, daß die Linken sogar von einer wahren Räumungswelle sprechen würden: „In den vergangenen neun Monaten räumte die Polizei die Kiezkneipen Syndikat und Meuterei sowie das queer-feministische Hausprojekt Liebig 34. Zum Vergleich: Von Februar 2011 bis Juni 2017 waren laut der Polizei Berlin lediglich zwei Objekte geräumt worden – das Wohnprojekt Liebig 14 und der Kiezladen Friedel 54.“ 

Der Verlust dieser besetzten Häuser bedeutet, daß bundesweit bekannte Treff- und Rückzugspunkte, die Anlaufstellen und Ausbildungsstätten der Linken Szene jedenfalls in Berlin waren, unwiederbringlich verloren sind. Darüber hinaus macht sich die Hauptstadt-Antifa in der Szene aber ob ihres fehlenden Durchhaltewillens und ihrer fehlgeschlagenen Strategie unglaubwürdig. Dazu kommt, daß die Tage des teilbesetzten Hauses in der Rigaer Straße gezählt zu sein scheinen. Zwar versucht die links-grüne Politik die schützenden Hände über den Rückzugsort für Antifa-Schläger zu halten, allerdings in letzter Zeit mit immer weniger Erfolg.

Am 6. Oktober vollstreckten 320 Polizisten einen richterlich angeordneten Durchsuchungsbeschluß. Um 7.33 Uhr twitterte die Polizei. „Wir bitten alle Bewohnerinnen und Bewohner: Verhalten Sie sich ruhig, bleiben Sie in ihren Wohnungen und folgen Sie den Anweisungen unserer Kollegen.“ Und die vollkommen überraschten Hausbewohner blieben ruhig. Aufgabe der Beamten war es, die Personalien der Bewohner festzustellen. Durchgesetzt hatte das der Hauseigentümer vor Gericht, der seit Jahren keinen Überblick über die Anzahl und die Personalien der Bewohner und Besetzer hat.

Ausländische Antifa mischt ordentlich mit 

So kann er ihnen jetzt Kündigungen zustellen. Und während dieser Maßnahme entdeckten Polizisten unter dem Haus einen vier Meter tiefen und mehrere Meter langen ungesicherten Tunnel. „Das Fundament des Hauses wurde durchbrochen“, sagt der Rechtsanwalt des Eigentümers Markus Bernau gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Wenn das Stollensystem einstürzt, kann es Tote geben. Hier muß jetzt zeitnah von den Behörden geprüft und reagiert werden.“ Ohne den schützenden politischen Rückhalt wird wohl in absehbarer Zeit auch dieses linke Haus fallen. Der „Kampf“ wird sich also verlagern – zum Beispiel nach Leipzig. Dort scheint die Szene härter.

 Wie skrupellos sie außerhalb der Hauptstadt vorgeht, demonstrieren gerade zwei Prozesse gegen linksextremistische Schlägerbanden. In Stuttgart wurden am 13. Oktober die zwei Linksextremisten Joel P. (20) und Diyar A. (25) zu fünf Jahren und sechs Monaten und vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Die 3. Strafkammer des Landgerichts sah es als erwiesen an, daß die Angeklagten aus einer 30köpfigen autonomen Gruppe heraus zwei Mitglieder der AfD-nahen Gewerkschaft Zentrum Automobil überfallen und einen lebensgefährlich verletzt hatten. Vor dem Oberlandesgericht Dresden wird der Linksextremistin Lina E. (26) und ihrer Bande seit dem 8. September unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung der Prozeß gemacht (JF 38/21). Die brutalen Angriffe auf politische Gegner verübte die Gruppe in Thüringen und Sachsen.

Auch wenn diese Prozesse Beispiele dafür sein könnten, daß neuerdings seitens der Justiz hart gegen Linksextreme durchgegriffen wird, sind sie eben auch ein Beispiel dafür, daß sich der Linksextremismus in der Peripherie immer stärker etabliert. Eine Entwicklung, der auch die urbanen Linksextremisten Rechnung tragen. Sogenannte „Mobi-Kommandos“ warben bundesweit für Solidarität und Unterstützung mit den Leuten vom Köpi: Schlagkräftige Autonome, Antifas und Linksextremisten sollten entweder bei sich selbst vor Ort oder in Berlin selbst gegen die Räumung kämpfen. 

Interessant in dem Zusammenhang zu erwähnen, daß die Aufrufe in Deutsch und Englisch verfaßt wurden. Dies läßt auf eine immer stärkere Vernetzung und Organisation zwischen deutschen und ausländischen Antifas, die bekanntermaßen hoch gewaltbereit sind, sei es Migrantifa oder die kurdische PKK, schließen. Ob und wenn ja wie viele ausländische Extremisten an den Demos am Freitag beteiligt waren, wollte die Polizei auf Nachfrage der jungen freiheit nicht beantworten. Schon vor der Räumung zitierte die Boulevard-Zeitung B.Z. eine Pressesprecherin der Besetzer mit den Worten: „Ich möchte das noch einmal ganz klarstellen, daß wir nicht kampflos aufgeben, sondern daß wir alles, was uns zur Verfügung steht, nutzen werden, um diese Räumung zu verhindern.“ Von einer Resignation, wie der Verfassungsschutz noch 2020 fabulierte, ist also im Vorfeld der absehbaren Räumung und dann am Freitag nichts zu spüren gewesen.

Ist am Freitag auf dem Gelände des Köpi nur wenig von der eingeforderten Solidarität zu erleben, sammeln sich am Freitag abend rund 5.000 Linksextremisten zur Demonstration. Dabei zählt der Berliner VS im vergangenen Jahr 980 gewaltbereite Linksextremisten in der Hauptstadt. 

Auf Indymedia liest sich dies wie die Schilderung des Endkampfes: „Es regnet Steine, Flaschen, Straßenmobiliar, Geschirr aus den Bars und mächtiges Feuerwerk. Die vor der Demo fahrenden Wannen kommen aus den Hinterhöfen des Kottbusser Damm ins Kreuzfeuer von Raketenbatterien.“ 

Die Linken feiern sich für ihren Vandalismus: „Nebenbei gehen einige hochpreisige Autos kaputt, und auch die als Hauptgentrifizierer ausgemachten Läden und Co-Working-Spaces werden allesamt nicht verschont. Auch Lidl geht zu Bruch.“

Im Polizeibericht heißt es dagegen: „Die erwarteten starken Reaktionen auf die Räumung sind durch eine entsprechend angepaßte Polizeipräsenz, insbesondere in Friedrichshain und Kreuzberg, weitestgehend ausgeblieben. Die Einsatzleitung entschloß sich, den Aufzug am Abend trotz hohen Aggressionspotentials und begangener Straftaten nicht aufzulösen. Dadurch konnten dezentrale Störaktionen erfolgreich verhindert werden.“

 Die Bilanz: Vom 14. bis 16. Oktober waren 3.500 Polizisten aus acht verschiedenen Bundesländern, Berlin und der Bundespolizei im Einsatz. 76 Beamte wurden verletzt, 46 Demonstranten vorläufig festgenommen. Mindestens zwanzig Fahrzeuge brannten ab, Fensterscheiben wurden eingeschlagen.Und wenn sich auch die Parole „Köpi verteidigen“ überlebt hat, so drohen die Linken aktuell damit, daß keine Räumung ohne Folgen bliebe. „Solidarität mit allen bedrohten Räumen! Greift ihr den Köpi-Platz an, gibt es Streß!“ Den soll es, geht es nach den Linksextremisten, am 23. Oktober in Leipzig geben. Die Demo könnte allerdings verboten werden.

Foto: Mit Panzerwagen, Schweißbrennern und Motorsägen verschaffen sich Polizisten am vergangenen Freitag Zutritt auf das verbarrikadierte Gelände an der Köpenicker Straße in Berlin-Mitte: Nach dem Sturm führen Beamte linksextreme Aktivisten ab. Am Freitag abend feiern dann rund 5.000 Antifa-Aktivisten sich und ihren Vandalismus