© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/21 / 22. Oktober 2021

Das Leben ist ein Rodeo
Alter Haudegen trifft jungen Schnösel: „Cry Macho“ ist der neue Film von und mit Clint Eastwood
Dietmar Mehrens

Als Hollywood-Legende Clint Eastwood im vergangenen Jahr das neunzigste Lebensjahr vollendete und die JF ihn aus diesem Anlaß mit einem Porträt würdigte (JF 22/20), ergaben Recherchen, daß kein neues Filmprojekt des Regisseurs in Planung war. Trotzdem kann die Geburtstagsfeier den Jubilar nicht allzu lange von der Arbeit abgehalten haben. Denn inzwischen ist der neue Film der Western-Ikone fertig. Er heißt „Cry Macho“, und Eastwood, der nach „The Mule“ (2018) erneut die Hauptrolle in einem seiner Filme übernahm, spielt darin endlich wieder einen Cowboy. Zwar sitzt er wie vor drei Jahren mehr im Auto als auf dem Pferd, aber immerhin: Es geht noch.

Eastwood verkörpert den Texaner Mike Milo, einen Pferdeflüsterer und ehemaligen Rodeo-Reiter, dessen Träume geplatzt sind – sowohl der von einer glücklichen Familie als auch der von einer eigenen Ranch. Milo ist eine typische Eastwood-Figur: ein Mann, der in seinem Leben jede Menge Nackenschläge einstecken mußte, desillusioniert, fatalistisch und ein wenig sarkastisch. Beim Rodeo hat er immerhin eines gelernt: Vom Pferd fallen ist schlimm, liegenbleiben ist schlimmer. 

Das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn

Die Geschichte (basierend auf einem Roman von N. Richard Nash, der auch am Drehbuch mitschrieb) spielt 1979. Milo hat den Auftrag übernommen, Rafael (Eduardo Minett), den 13jährigen Sohn seines vermögenden Ex-Bosses Howard (Dwight Yoakam) aus Mexiko zu holen und auf dessen Ranch zu bringen. Als der alte Cowboy in dem Palast eintrifft, den Rafaels Mutter (Fernanda Urrejola) unweit der mexikanischen Hauptstadt bewohnt, zeigt sie sich gleichgültig. „Nehmen Sie ihn mit, wenn Sie ihn finden“, sagt die verwöhnte Mexikanerin. Der Junge sei ein Herumtreiber, der seine Zeit mit illegalen Hahnenkämpfen vergeude. Kurz darauf sitzt nicht nur Rafael, sondern auch dessen Hahn Macho bei Milo im Wagen, und die drei machen sich auf den Weg durchs dröge Mexiko Richtung US-Grenze. Unterwegs werden sie gespeist von Marta und finden Unterschlupf bei der Jungfrau Maria. „Glauben Sie an Gott?“ will Rafael von seinem Chauffeur wissen. Ein bißchen hat Eastwood hier auch das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn verfilmt. Für die Antwort auf die Gretchenfrage bleibt dem Ex-Rodeo-Reiter wenig Zeit. Dafür sorgt Rafaels Mutter. Die hat es sich anders überlegt und dem Trio ihre Häscher auf den Hals gehetzt. Sie erwartet eine schmerzhafte Lektion: Einen Macho sollte man nie unterschätzen. 

Grandios eingefangene stimmungsvolle Panoramabilder

Der Stoff des mit leichter Hand inszenierten Films kreuzte bereits vor vierzig Jahren seinen Weg, erinnert sich Eastwood. „Für die Rolle bin ich zu jung“, habe er damals die Filmidee kommentiert. „Wie wär’s, wenn ich Regie führe und wir versuchen, Robert Mitchum zu bekommen?“ Daraus wurde nichts. Erst vor zwei Jahren holte Produzent Albert S. Ruddy das Projekt wieder aus der Versenkung hervor. Eastwood hatte sich an den Stoff erinnert: „Ich dachte, das ist jetzt der richtige Zeitpunkt.“ Er rief Ruddy an und fragte: „Hast du das Skript noch?“

Das Ergebnis dieser Wiederentdeckung ist eine nicht ganz klischeefreie, aber kurzweilige Leinwandreise mit genügend Stopps, um die grandios eingefangenen stimmungsvollen Panoramabilder auf sich wirken zu lassen. Der Regisseur knüpft inhaltlich an den Drogenkrimi „The Mule“ an und läßt seine Hauptfigur weniger zynisch klingen als Walt Kowalski, der in „Gran Torino“ (2008) ebenfalls zum Mentor für einen Jugendlichen avancierte. Kommt mit 91 die Altersmilde?

In den USA kam der neue Eastwood jedenfalls blendend an und erreichte Platz 3 der Kino-Hitparade. Der Mann, der als „Fremder ohne Namen“ und „glorreicher Halunke“ Filmgeschichte schrieb, hat sein Pulver noch immer nicht verschossen. Und ein paar ironische Eastwood-Einzeiler wie diesen darf der Zuschauer wie gewohnt auch mit nach Hause nehmen: „Dieser ganze Machokram wird überbewertet.“

Kinostart ist am 21. Oktober 2021

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