© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/21 / 22. Oktober 2021

Dorn im Auge
Christian Dorn

Von der Konferenz im luxuriösen Hotel Bayerischer Hof in München, wo – wie mir der Concierge bestätigt – einst auch Freddie Mercury logiert hatte, mit dem Taxi zum Bahnhof, wo der Passant – in den Seitenstraßen des davor liegenden Häuserkarrees um das Hotel Europäischer Hof – sich nachts plötzlich nach Istanbul oder Pakistan versetzt wähnt und glücklich schätzt, wenn er (nur noch „Bahnhof“ verstehend) unversehrt ins Hotel zurückgekehrt ist. Wie verspielt und harmlos dagegen die Erinnerung an das Pop-Zitat, der so kryptisch wie sufistisch anmutende Rocksong „Mustapha“ mit arabischen, persischen und englischen Wortfetzen und Gesangslinien, Eröffnungslied des Queen-Albums „Jazz“ von 1978 (im Internet abrufbar etwa als seltener Konzertausschnitt auf dem Youtube-Kanal „arjunakarawang“ unter „Queen Mustapha Ibrahim“ oder auf dem Youtube-Kanal „QueenMusicFanPage“ unter „Queen – Mustapha – Jazz“). Vielleicht sind ja wegen dieses kriminellen Umfelds die Zimmerpreise im Europäischen Hof, gemessen an der zentralen Lage, so günstig. Der Taxifahrer, mit dem ich mich über die Energie- und Migrationspolitik austausche, denkt derweil an die EU-Außengrenzen und merkt – mit Blick auf das Dutzend deutscher NGO-Kähne der Refugees-Welcome-Flotte, die im Mittelmeerraum kreuzen – ganz trocken an: „Es ist mir bis heute ganz neu, daß Deutschland auch eine Seefahrernation ist.“ Immerhin sei er dank Merkels Grenzöffnung 2015 wieder politisch aktiv geworden und zur Wahl gegangen. Doch jetzt habe er jede Hoffnung fahren lassen und nicht mehr gewählt, denn: „Es wird sich nur noch etwas ändern, wenn es noch schlimmer wird – wenn die Leute endlich aufwachen.“ Doch wenn Deutschland erwacht – das will ich eigentlich nicht erleben. 

Hinter meinem Rücken höre ich klirrend Glas zerspringen, Motorräder umfallen – ich wage keinen Blick zurück.

Zurück in Berlin, nachts in der Schönhauser Allee, lauert indes die Gefahr von autochthoner Seite. An der Straßenecke mir entgegenkommend zwei doppelt (mit Adrenalin) geimpfte Typen „auf Aktion“, der eine mit voller Aggression einen Elektroroller vom Gehweg stoßend – selber schwer bepackt, potentiell nächstes Opfer der zwei Figuren, beglückwünsche ich in vorauseilender Deeskalation den „perfekten Bodycheck“, mit dem der eine das Teil ausgeknockt habe. Kaum sind sie hinter meinem Rücken weitergezogen, höre ich klirrend Glas zerspringen, Motorräder oder Tische umfallen – eine Spur der Verwüstung, doch ich wage keinen Blick zurück. Keine Minute später passiert ein halbes Dutzend aufgedrehter, betrunkener Typen den Weg, von denen einer plötzlich mit Kung-Fu-mäßiger Athletik hochspringt und mit seitlichem Kick unter Mordsgewalt eine Haustür eintritt. Unter dem Ruf: „Das ist hier meine Wohnung“ sprintet die Truppe hinterher, und gleich danach wieder hinaus. Angesichts der 2G-Regel muß auch ich hinaus, gemäß des Mottos „Wir müssen draußen bleiben“ – als wäre ich auf den Hund gekommen. Da fällt mir am Gehwegrand eine gelbe Broschüre in die Hand: „Das Impfbuch für alle“ mit Beiträgen von Dr. med. Eckart von Hirschhausen, beginnend mit dem Satz: „Dieses Thema geht unter die Haut.“ Das ging es „In der Strafkolonie“ auch.