© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/21 / 22. Oktober 2021

Frisch gepreßt

Krieg. Kein unbedingt wissenschaftlich überzeugendes Werk, wie es vielleicht der Anspruch der Autorin sein mag, aber ein üppiges Panoramagemälde legt die kanadische Historikerin Margaret MacMillan mit ihrer neuen Studie über Wesen und Wirken des Krieges vor. Die Urenkelin David Lloyd Georges, britischer Premierminister während des Ersten Weltkriegs und bei den Verhandlungen von Versailles 1919, lehrt in Oxford und präsentiert in ihrem jüngsten Band eine eindrückliche Sammlung an Zitaten, Hintergrundinformationen und historischen Anekdoten, die den Krieg und seine kulturellen und gesellschaftlichen Aspekte im Laufe der Menschheitsgeschichte illustrieren. Schade nur, daß diese Sammlung an Material mehr präsentiert als analysiert wird. Was ist Dichtung, was Fakt, was ist typisch für die jeweilige Zeit, was stammt zwar aus ihr, ohne sie jedoch notwendigerweise zu repräsentieren? Das ist mitunter unklar, wenn aus Legenden, Shakespeare-Stücken oder Briefen zitiert wird. Eine systematische Auswertung bleibt leider aus. Entschädigt wird der Leser mit einer reichhaltigen Fundgrube zahlloser interessanter Details, teilweise Kuriosem. Etwa daß nach den napoleonischen Kriegen Briten, denen die Zähne ausfielen und die es sich leisten konnten, voller Stolz künstliche Gebisse aus „Waterloo-Zähnen“ trugen – die man den dort Gefallenen ausgebrochen hatte. Oder daß ein US-Soldat unserer Zeit in Kanada Asyl mit der Begründung erbat, ihm sei nicht klar gewesen, daß beim Militär zu sein bedeute, auch in den Krieg zu müssen. MacMillan vermag zwar kein eigenes Geschichtsbild zu zeichnen, aber manche Lücke im vorhandenen zu schließen. Und das auf leicht lesbare, unterhaltsame und abwechslungsreiche Weise. (mo)

Margaret MacMillan: Krieg. Wie Konflikte die Menschheit prägten. Propyläen Verlag, Berlin 2021, gebunden, 335 Seiten, Abbildungen, 30 Euro





Böse USA. Der Untertitel „Was die USA seit 1945 in der Welt angerichtet haben“ zieht die Aufmerksamkeit des potentiellen Lesers auf sich. Doch was der Amerikanist Bernd Greiner auf den 288 Seiten seines neuen Buches liefert, ist nicht neu. Sein Abriß über den Weg der Vereinigten Staaten zur dominierenden Weltmacht des 20. Jahrhunderts und ihres Selbstverständnisses als Verteidiger der Freiheit ist ohne Frage gut lesbar. Die Stationen US-amerikanischer Interventionen rund um den Globus sind jedoch allseits bekannt. Ob in Südamerika, Südostasien, Afrika oder im Nahen und Mittleren Osten: Washington stützte Diktatoren und stürzte gewählte Regierungen, wenn es seinen Interessen diente. „‘America First’ ist keine Marotte eines einzelnen, sondern die außenpolitische Partitur aller Präsidenten bis zum heutigen Tag, auch Biden weicht nicht vom Kurs seines Vorgängers ab. Unterschiede in Stil und Rhetorik sollten nicht darüber hinwegtäuschen, daß im Zweifel ein atavistischer Grundsatz gilt: Der Starke herrscht, der Schwächere folgt, der Schwächste duldet“, stellt Greiner treffend fest. Wenn er jedoch in pazifistischer Manier anregt, daß eine Abrüstung der USA auch bei anderen Staaten das Mißtrauen schwinden lassen würde und zu einer allgemeinen Abrüstung und kooperativeren Sicherheitspolitik führe, verkennt er die machtpollitischen Realitäten oder möchte sie ausblenden. (ag) 

Bernd Greiner: Made in Washington. Was die USA seit 1945 in der Welt angerichtet haben.Verlag C. H. Beck, München 2021, gebunden, 288 Seiten, 16,95 Euro