© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/21 / 22. Oktober 2021

Frisch gepreßt

Kamala Harris. Heutzutage scheint das Maß an Fortschrittlichkeit davon abzuhängen, wer die meisten „zum ersten Mal“ und „noch nie zuvor in der Geschichte“ auf sich vereinigen kann. Die stellvertretende US-Präsidentin Kamala Harris punktet genau damit. Schließlich habe mit der demokratischen Politikerin „erstmals eine Frau das zweitmächtigste Amt im Land“ gewonnen und „noch dazu eine Afroamerikanerin“ und überdies eine asiatischstämmige, scheut sich NZZ-Autorin Marie-Astrid Langer nicht, unablässig zu wiederholen. Damit stehe „erstmals eine direkte Nachfahrin von Einwanderern“ an der Spitze der Vereinigten Staaten. Das entzückte selbst die Regenbogenpresse, und sogar die New Yorker Filiale von Madame Tussauds war stolz darauf, die 56jährige als erste Person auf dem Posten des US-Vizepräsidenten als wächsernes Ebenbild zu präsentieren. Bereits beim Blick in das Inhaltsverzeichnis zeichnet sich ein Bild von Harris ab, das sich im Weiteren fortsetzt: die Heldenreise einer Frau, die gegen alle Widrigkeiten und dennoch mit dem schicksalshaften Wink, das Kind zweier Bürgerrechtler zu sein, ihren Weg beschreitet. Daß sie bisher politisch eher blaß blieb und durch allerlei Patzer auffiel: geschenkt. Statt „Ein Porträt“ hätte der Untertitel auch getrost „Eine Hagiographie“ lauten können. (zit) 

Marie-Astrid Langer: Kamala Harris. Ein Porträt, Suhrkamp Verlag, Berlin 2021, broschiert, 221 Seiten, 16 Euro





Trauma Trump. Mary Lea Trump hat ein nicht verarbeitetes Trauma: ihren Onkel Donald. Und an dem arbeitet sich die Tochter von Trumps früh verstorbenem Bruder Fred Trump Junior in vielen Facetten in ihrem Buch ab. Um ihr Urteil über ihren verhaßten Onkel zu lesen, müssen nicht alle Kapitel gelesen werden. Schon auf Seite 13 fällt sie ihr Urteil über dessen US-Präsidentschaft: „Vier Jahre Inkompetenz, Grausamkeit, Kriminalität, Heimtücke, verfassungswidriges Verhalten und Verrat.“ Die Psychologin, die nach der Wahl ihres Onkels 2016 zwischen „Dissoziation, Wut und Verwirrung“ schwankte, macht auch keinen Hehl aus ihrer Antipathie gegenüber „weißen Amerikanerinnen und Amerikanern“. „Ich empfinde keinerlei Sympathie oder Verbundenheit mit der Rolle der weißen Mehrheit in unserer Geschichte oder mit der Ideologie der Überlegenheit der Weißen“, erklärt die 56jährige. Sie ist aber so redlich, zu schildern, daß sie „außerordentlich“ von dem System, das Weiße auf die oberste Stufe einer von ihnen erfundenen „rassistischen Hierarchie“ setzten, profitiert habe. Ihr Rat für ihresgleichen, das Trump-Trauma und ihr Weißsein zu verarbeiten: „Es ist an der Zeit niederzuknien.“ (ctw)

Mary L. Trump: Das amerikanische Trauma. Die gespaltene Nation – und wie sie Heilung finden kann. Wilhelm Heyne Verlag, München 2021, gebunden, 256 Seiten, 22 Euro