© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/21 / 29. Oktober 2021

Unfähig zu handeln
Migration und Kontrollverlust: Worin liegen die ideellen Ursachen der Misere?
Fabian Schmidt-Ahmad

Eine neue Einwanderungswelle aus Afrika und Nahost rollt auf uns zu. Hunderte sollen tagtäglich die Grenze zu Polen überschreiten. So genau weiß das niemand, und so genau scheint es auch niemanden mehr zu interessieren. Erinnerungen an 2015 kommen hoch. Wieder nutzt ein autoritärer Staatschef die Handlungsunfähigkeit der Europäischen Union, die in seltsamem Kontrast zu ihrer moralischen Überheblichkeit steht, für schlichte Erpressung. Hat sich der Mann am Bosporus die Arbeit als Türsteher teuer bezahlen lassen, so ist nun Weißrußland an der Reihe.

Eigentlich eine naheliegende Retourkutsche für EU-Sanktionen gegen den weißrussischen Diktator Alexander Lukaschenko. Doch offenbar ist niemandem in Brüssel und Berlin aufgefallen, daß sie in ihrer Angst vor häßlichen Bildern, die notwendigerweise entstehen, sobald eine Grenze verteidigt wird, vor sechs Jahren einen gefährlichen Präzedenzfall schufen. Denn die politische Handlungsfähigkeit liegt dann bei anderen, während man selbst ahnungs- und hilflos von „Fluchtursachen bekämpfen“ phantasiert.

Die materiellen Ursachen der Misere sind schnell benannt. Ein unkontrolliertes Bevölkerungswachstum, wirtschaftliche Stagnation in der Heimat und verlockender Reichtum in der Fremde, der zum Greifen nah erscheint. Alleine Nigeria wird in den nächsten drei Jahrzehnten seine Bevölkerung voraussichtlich verdoppelt und dann mehr Einwohner als die EU haben. Und das mit einem Bruttoinlandsprodukt, das etwa dem von Hessen entspricht. In anderen Ländern Afrikas und im Nahen Osten herrscht ein ähnliches Bild.

Das aber sind in erster Linie selbstverschuldete Probleme. Sie werden erst dann zu unseren, wenn wir es zulassen. Das sind die ideellen Ursachen der Misere, die in der kommunistischen Ideologie zu suchen sind. Ihr gemäß ist die bürgerliche Gesellschaft ein zu überwindendes Hindernis, der ihre Besitzverhältnisse sichernde Nationalstaat ein zu eroberndes Instrument auf dem Weg in die klassenlose Gesellschaft, dem Weltkommunismus. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs war diese Ideologie offenkundig gescheitert.

Die Nation wurde nicht überwunden, sondern feierte in den ehemaligen Ostblockstaaten eine glanzvolle Renaissance. Wie konnte das sein? Mittel zur Zerstörung des Bürgertums ist dem kommunistischen Ideologen der identitätslose Proletarier. Doch die konkreten Arbeiter erwiesen sich als unwillig. Denn noch vor jedem Besitzverhältnis hat der einzelne bereits eine Identität, nämlich einem Volk anzugehören: eine gemeinsame Geschichte, überlieferte Traditionen und natürlich das durch die Generationen hindurch pulsierende Blut.

Alles das macht den einzelnen zum Teil einer Gemeinschaft, die ihn formt, ihm Sicherheit gibt. Damit das Proletariat also als zerstörendes Instrument taugt, muß es diese nationale Identität verlieren. Das aber wird durch das Durcheinanderwerfen der Völker angestrebt. Erst der Globalist schafft die Voraussetzung für den Weltkommunismus. „Vielleicht stehen wir erst vor einem wirklichen ‘Zeitalter der Massen’ in einer Epoche von Unternehmer-Nationen“, formulierte das vor dreißig Jahren der Philosoph und Kommunist Étienne Balibar.

Das Problem ist, daß kein Volk freiwillig untergeht. Dafür muß es ideologisch vorbereitet werden. Balibar deutet den Begriff des „Rassismus“ völlig um, der zuvor eine rechtliche Ungleichbehandlung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit beschrieb. Bei Balibar wird das zu etwas ganz anderem. Was früher eine banale Feststellung war, nämlich daß es verschiedene nationale Identitäten gibt, mit unterschiedlichen Wertvorstellungen, die einander entgegengesetzt sein können, wird von Balibar zum neuen „Rassismus“ ernannt. Dieser bestünde im Gedanken, „‚Kulturvermischungen‘, die Beseitigung ‘kultureller Distanzen’ entsprächen dem geistigen Tod der Menschheit“. Wer als Europäer also eine eigene, nationale Identität sieht oder gar verteidigen will, der vertritt plötzlich eine „rassistische Ideologie“.

Der progressive Kampf gegen den „Konterrevolutionär“ vergangener Tage, der sich dem Fortschritt in den Weg stellt, ist zum „Kampf gegen Rassismus“ geworden, wobei dieser entleerte Begriff nichts mehr mit der eigentlichen Bedeutung zu tun hat. Er ist reine, kommunistische Rabulistik, denn es gilt nur die europäische Identität zu kriminalisieren und zu vernichten. Der außereuropäische Einwanderer – je fremder, desto besser – soll dagegen jede Ressource, jeden Freiraum für seine „Community“ erhalten. 

Das ist nötig, denn sollte sich dieser assimilieren, eine europäische Identität annehmen, diese sogar verteidigen, wäre nichts gewonnen. Das Ergebnis ist grotesker, dialektischer Humbug. Mal ist es der „Rassismus“ einer „behaupteten Andersartigkeit“, wenn wir beispielsweise feststellen, es gibt „schwarze Menschen“. Dann aber ist es auch „Rassismus“, wenn wir „schwarzen Menschen“ ihre „kulturelle Identität“ absprechen. Wie es gerade paßt. Die Errungenschaften unseres Gemeinwesens werden geleugnet und sein Wille zur Selbstbehauptung als „Rassismus“ verunglimpft.

Umgekehrt wird der Fremde verherrlicht, Hinweise auf offenkundige Unzulänglichkeiten als Ausdruck „rassistischer Stereotype“ oder Reaktion auf „rassistische Ohnmachtserfahrungen“ ausgeblendet. Eine klare, rassistische Ideologie, die in ihrer Unsinnigkeit komisch wäre, wenn ihr nicht gleichfalls genozidaler Haß innewohnt. Haß auf uns, auf unsere Art zu leben, überzuckert mit absurden, pseudohumanitären Begründungen, warum wir die „moralische Pflicht“ hätten, illegale Einwanderer aufzunehmen und zu päppeln.

Diese Glasur mag der Meinung sein, daß die wachsende Bevölkerung von Afrika und Nahost Anrecht auf unseren Wohlstand habe, den zu verteilen sie unternimmt. Doch tatsächlich hat unsere politische Elite nur die Verpflichtung, das ihnen anvertraute Volksvermögen für uns und unsere Kinder zu sichern. Das gilt für die Länder Afrikas und im Nahen Osten. Das gilt für Weißrußland. Und das gilt auch für uns. Wir sollten daher aufhören, fremde Probleme zu unseren zu machen. Und unsere zu denen unserer Nachbarn.