© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/21 / 29. Oktober 2021

Ländersache: Bayern
Kampf um die Drachenschanze
Alexander Graf

Ist die letzte Schlacht um die „Drachenschanze“ geschlagen? Das Wohnhaus des Youtubers Rainer Winkler, Künstlername „Drachenlord“, war in den vergangenen sieben Jahren zu einem bizarren Pilgerort geworden. Gegner des selbsternannten Influencers, seine sogenannten „Hater“, waren immer wieder in das nordbayerische Altschauerberg, einem Ortsteil von Emskirchen mit gerade einmal 42 Einwohnern, gekommen und hatten dort randaliert. 

Das im Internet als „Drachen-Game“ bezeichnete Krawallritual führte mehrmals am Tag zu Polizeieinsätzen und ließ die leidgeprüften Nachbarn nicht zur Ruhe kommen. Das Drama nahm seinen Ursprung 2014, als der wegen seiner provokanten Youtube-Videos bekannt gewordene Winkler seine Adresse veröffentlichte und seine Feinde aufrief, ihn zu besuchen. Die kamen, pöbelten und attackierten das Wohnhaus. Gerade an Wochenenden sammelten sich bis zu 150 Personen in der Provinz. Dabei setzte sich Winkler wiederholt handfest zur Wehr, weswegen er sich bereits vor Gericht verantworten mußte. Da er während seiner Bewährungszeit wieder zuschlug, drohte ihm nun erstmals eine Haftstrafe. Insgesamt sieben Anklagen sammelte Winkler seit 2019 an. Dabei ging es um Beleidigung, Verleumdung und Körperverletzung. So soll er beispielsweise einen Mann mit einer Taschenlampe geschlagen und einen anderen mit einem Ziegelstein beworfen haben. Vor Gericht zeigte sich Winkler geständig und räumte die Taten ein. 

Am 21. Oktober verhängte das zuständige Amtsgericht Neustadt an der Aisch nun eine zweijährige Haftstrafe gegen den Youtuber, die nicht zur Bewährung ausgesetzt ist. Wegen des erwarteten öffentlichen Interesses war der Prozeß nach Nürnberg verlegt worden. Tatsächlich reisten einige „Drachenlord“-Hasser extra für die Verhandlung an. Wie prominent Winkler ist, machen seine 164.000 Abonnenten auf der Videoplattform deutlich. Wie es nun weitergeht, ist noch nicht ganz klar. Ob Winkler in Revision geht, ist offen. Seine Erklärung vor Gericht, wonach er das Haus verkaufen, woanders leben und seine Internetaktivitäten zurückstellen wolle, scheint zumindest beim letzten Punkt fraglich. Bereits am Tag nach dem Urteilsspruch wandte er sich mit einem neuen Video an seine Fans und „Hater“. Darin kritisierte er die Strafe und sah sich selbst in der Opferrolle. „Ich sehe nicht ein, mich einsperren zu lassen, nur weil ich mich verteidige. Es ist sehr frustrierend, wenn man nicht weiß, wie man sich verteidigen soll. Was genau soll ich machen?“ 

Ob sich Winkler mit dem neuen Video einen Gefallen getan hat, ist fraglich. So konterkarierte er damit nur Stunden nach seinem reuigen Auftritt vor Gericht seine Absichtserklärung. Zudem kann nicht nur er, sondern auch die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen. Was sie am Montag auch tat. Zuvor hatte sie im Verfahren eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren gefordert. Somit könnte sich das Strafmaß noch erhöhen, wenn sich der „Drachenlord“ um Kopf und Kragen redet. Die Anwohner werden ihre Hoffnungen wohl in den Verkauf des Hauses setzen, und daß dann die ungebetenen Gäste ausbleiben.