© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/21 / 29. Oktober 2021

Kommt der deutsche Ausstieg aus der Kohleverstromung schon 2030?
Beschleunigter Gnadenstoß
Jörg Fischer

Als Kathrin Henneberger im Alter von 13 Jahren begann, sich „gegen die Klimakrise zu engagieren“, war Luisa Neubauer noch im Kindergartenalter und Greta Thunberg noch nicht einmal geboren. Mit Anfang 20 stieg die Absolventin der Gesamtschule Rodenkirchen zur Bundessprecherin der Grünen Jugend (GJ) und Begleiterin der „Verhandlungen auf den UN-Klimakonferenzen“ auf. Doch spätestens mit 28 endet jede GJ-Karriere, daher war die Berufsaktivistin dann „primär im rheinländischen Braunkohlerevier anzutreffen“, wo sie als Pressesprecherin der Kohle-Hasser von „Ende Gelände“ agierte und den schwedischen Stargast und das deutsche „Fridays for Future“-Aushängeschild empfing.

Nach 21 Jahren grünen Verzichts gönnt sie sich nun endlich einen kräftigen Schluck aus der Diätenpulle: Als Bundestagsabgeordnete werde sie „in einem Monat künftig soviel verdienen, wie ich sonst in einem Jahr zur Verfügung hatte“, verriet Henneberger der Zeit. Sprich: über 10.000 Euro brutto – das ist dreimal so viel, wie ein Facharbeiter im Lausitzer Braunkohlerevier verdient. Die „Bahncard 100“ für 6.812 Euro und seine Laptops muß er sich zudem selber kaufen. Ein Maschinenfahrsteiger oder Bereichs­ingenieur kommt momentan auf etwa 5.500 Euro – aber wie lange noch? Denn kompromißlosen Grünen-Politikern wie Kathrin Henneberger und dem fanatischen GJ-Nachwuchs ist nämlich selbst der „beschleunigte Ausstieg aus der Kohleverstromung“, der laut Ampel-Sondierungspapier „idealerweise“ statt 2038 schon 2030 erfolgen soll, viel zu spät. So oder so heißt das dann aber: In weniger als zehn Jahren droht Zehntausenden Braunkohlekumpeln, Kraftwerksmitarbeitern und ihren Familien ein Lebensstandard auf Mindestlohnniveau. Und mit dem Wegfall dieser stabilen Einkommen sinken auch die Umsätze in anderen lokalen Wirtschaftsbereichen dramatisch.

„Für die Lausitz ist das der Gnadenstoß“, warnte daher Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer vorige Woche im „Bericht aus Berlin“ in der ARD. „Wir brauchen die Jahre bis ’38, um Infrastruktur aufzubauen, um neue Arbeitsplätze anzusiedeln“, so der CDU-Politiker. Einmal in Rage geraten, zweifelte er sogar die sakrosankte deutsche Energiewende an: Er halte es „für unmöglich, aus der Kernenergie und der Kohleverstromung auszusteigen und dieses Land wettbewerbsfähig zu halten“. Diese Erkenntnis findet sich aber auch im AfD-Wahlprogramm, bei der polnischen Regierungspartei PiS oder US-Republikanern – o weh!

Deshalb verlangt Kretschmer, daß SPD und FDP nicht „wortbrüchig“ werden und sich gegen die Grünen-Forderung durchsetzen. Sein Magdeburger Amtskollege Reiner Haseloff hofft auch auf den Bestand des schwarz-roten Kohleausstiegsgesetzes von 2020. Doch der ist mehr als fraglich. Denn auch CSU-Chef Markus Söder und die grünen U-Boote der „Klimaunion“ (JF 17/21) wollen mit deutschem Wohlstandsverzicht das Weltklima beeinflussen.