© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/21 / 29. Oktober 2021

Digitales Wagnis für Rentner
Bitcoin: Die Kryptowährung erweitert mit der Einführung von ETFs ihren Anlegerkreis
Thomas Kirchner

Mit der Einführung der ersten börsennotierten Bitcoin-ETFs in den USA, ProShares Bitcoin Strategy ETF, Valkyrie Investments Bitcoin Funds und VanEck Bitcoin ETF, erweitert die Kryptowährung ihren Anlegerkreis. Neben den üblichen Anlagerisiken besteht das ungewöhnliche Risiko, daß Hoffnungen auf eine mögliche Annahme der virtuellen Währung als Zahlungsmittel doch noch enttäuscht werden.

Trotz des Rückschlags durch Chinas Kryptotransaktionsverbot und der Abwanderung der Schürfer in die USA läuft es im Augenblick bestens für den Bitcoin. Vor wenigen Wochen erkannte El Salvador Bitcoin als Parallelwährung an. Auch die Ukraine strebt danach Kryptowährungen aus dem rechtlichen Nirwana zu heben und ihnen einen legalen Status zu geben. Erste US-Pensionsfonds investieren. Spötter werden dies als Gegenindikator interpretieren; denn deren Versuche, Finanzierungslücken zu schließen, gehen häufig schief und verschärfen ihre prekäre Lage weiter.

Der neue ETF (Exchange Traded Fund) ist nicht die erste Möglichkeit, in Bitcoin über reine Finanzprodukte zu investieren. Den Coin direkt zu halten erfordert meist technische Kenntnisse. Über eine Krypto-Handelsplattform geht es fast so einfach wie bei einem Onlinebroker. Doch da ist Vorsicht angesagt: die meisten Firmen sind nicht reguliert, viele Kunden erlitten Verluste durch Hackerangriffe und Betrug. Ein ETF ist der nächste, logische Schritt, zumal es bereits solche gibt, die in Währungen, Gold, Öl oder andere Rohstoffe investieren. In Kanada und Europa gibt es zwar Bitcoin ETFs, von denen der größte, BTCetc, aber nur 1,25 Milliarden Euro Fondsvermögen aufweist. Das ist wenig im Vergleich zu dem in den USA gehandelten geschlossenen Fonds Grayscale Bitcoin Trust, der Bitcoins im Wert von 42 Milliarden Dollar hält. Allerdings: Grayscale ist eben kein ETF, sondern ein geschlossener Fonds. Er handelt derzeit mit einem Abschlag von etwa 20 Prozent, wie dies bei geschlossenen Fonds häufig passiert. Das bedeutet, die 42 Milliarden Dollar Fondsvermögen werden mit nur 34 Milliarden Dollar bewertet. Wer jetzt verkaufen will, bekommt also weit weniger als den tatsächlichen Wert der Bitcoins. Grayscale plant jedoch, diesen Fonds in einen ETF zu verwandeln, was den Abschlag eliminieren sollte. ProShares nimmt 0,95 Prozent, die beiden anderen ETFs verlangen sogar nur 0,65 Prozent. 

Futures und Bitcoins können Diskrepanzen aufweisen

Weitere Möglichkeiten zur Anlage in Bitcoins bieten Futures. Seit Ende 2017 bietet eine der führenden, regulierten Futuresbörsen, Chicago Mercantile Exchange (CME), einen Future auf Bitcoin. Er funktioniert wie jeder andere Future: am Verfallstag wird ein Durchschnittspreis der Kurse von vier Kryptobörsen errechnet. Zu diesem Durchschnittspreis wird zwischen den Futureshaltern abgerechnet. Fünf Bitcoins liegen jedem Future zugrunde. Bei der Einführung entsprach das noch 35.000 Dollar, heute sind es schon 330.000 Dollar. Das ist für viele potentielle Anleger zuviel Risiko. Seit Mai bietet CME deshalb einen Micro-Future an, der auf nur einem Zehntel Bitcoin basiert, also derzeit rund 6.600 Dollar. Damit sind die Futures einem größeren Anlegerkreis zugänglich.

Der neue Bitcoin ETF von ProShares wird in eben diese Futures investieren und nicht in Bitcoin direkt. Das vereinfacht die Verwaltung, bringt aber andere Nachteile mit sich. Ein Future kann von dem zugrundeliegenden Produkt abweichen. Negativbeispiel war Ölfutures im April 2020: Die Kurse fielen an einem Nachmittag ins Minus  

auf bis zu -37 Dollar pro Barrel. Physisches Öl wurde zur gleichen Zeit nicht zu negativen Preisen verkauft. Auch bei Bitcoin gibt es Abnormalitäten in den Kursen, die auf diesem Unterschied beruhen. 

So spekulierten im Vorfeld der Einführung des ETF viele kleinere Institutionen auf einen starken Kursanstieg von Bitcoin durch den ETF. Doch sie konnten Bitcoin nicht direkt kaufen, hatten aber keine Probleme, über Futures zu spekulieren. Deshalb handelten diese mit einem starken Aufschlag gegenüber dem tatsächlichen Bitcoinkurs. Diese sogenannte Basis nutzten andere Anleger aus, indem sie Bitcoin kauften und gleichzeitig die Futures verkauften. Spätestens am Verfallstag des Futures werden sich die Kurse angeglichen haben, egal wie hoch oder tief der Bitcoin dann steht. 

Derartige Arbitragegeschäfte stellen normalerweise sicher, daß sich Futures und die zugrundeliegen Produkte preislich nie weit auseinanderbewegen können. Doch ähnlich wie schon bei Ölfutures 2020 werden nicht genug Arbitragegeschäfte getätigt, weil viele Anleger nicht direkt in Bitcoin investieren. Für den ETF, der in Futures investiert, besteht deshalb das Risiko, daß sein Kurs nicht immer den Bitcoinkurs reflektiert. Die Futures und Bitcoin können größere Diskrepanzen aufweisen, die sich nicht so schnell schließen lassen, wie man es von anderen ETFs gewohnt ist.

Foto: ProShares-Chef Michael Sapir: Anleger können über reine Finanzprodukte in die Kryptowährung Bitcoin investieren