© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/21 / 29. Oktober 2021

Keine Broschüren und Tagungen mehr
Haushaltssperre in Berlin: Der rot-rot-grüne Senat muß ausgerechnet bei der Bildung einsparen
Christian Schreiber

Trotz der vielen Pannen wurde der Senat aus SPD, Linken und Grünen mit zusammen 54,3 Prozent der Stimmen bei der Abgeordnetenhauswahl von den Berlinern faktisch im Amt bestätigt (JF 40/21). Vielleicht wäre der Wahlsieg – 1,9 Prozentpunkte mehr als 2016 – nicht ganz so hoch gewesen, hätte eine Mail der Senatsbildungsverwaltung schon vor dem 26. September die Runde gemacht. Darin teilte die scheidende SPD-Senatorin Sandra Scheeres nun „eine ressort­interne Ausgabensperre“ mit. Den Schulleitungen wurde mitgeteilt, daß „ausschließlich nur noch jene Ausgaben zu Lasten des Haushalts 2021 getätigt werden“ dürfen, „für die aufgrund bestehender gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen ein Zahlungsanspruch besteht“.

Einen Großteil der Einsparungen will die Verwaltung zwar selbst leisten. So sollen in diesem Jahr keine Broschüren mehr erstellt oder Tagungen mehr abgehalten werden. Auch eine neue Werbeaktion zur Lehrer-Rekrutierung wurde abgesagt. „Die Schulen sind kaum betroffen“, teilte ein Senatssprecher mit. Weder beim Personal noch beim laufenden Schulbetrieb gebe es Einschränkungen. Die Lernförderung laufe normal weiter, Vertretungslehrer könnten wie gewohnt eingestellt werden. Doch irgendwie muß die 47-Millionen-Euro-Einsparung erbracht werden. 20 Millionen davon seien inzwischen schon abgedeckt, so die Bildungsverwaltung. Für die angeblich plötzlich aufgetauchte Finanzlücke ist wohl eine Fehlplanung verantwortlich: Verkalkuliert wurde sich unter anderem bei der Ganztagsbetreuung. Wegen des Corona-Lockdowns glaubte man, beim Hort-Betrieb Gelder einsparen zu können. Doch daraus wurde nichts. „Es gab doch mehr Betreuungsbedarf, als ursprünglich gedacht, etwa für die Kinder von Alleinerziehenden“, heißt es aus der Behörde.

Ersatzhabitate für Reptilien und neue Asylunterkünfte

Ausgaben fürs Personal seien ebensowenig betroffen wie das Ganztagsbudget oder Mittel für die kleine bauliche Unterhaltung. Dies sei ohnehin Sache der zwölf Berliner Bezirksämter. Auch Gelder aus Bund-Länder-Programmen wie dem „Digitalpakt Schule“ oder dem Projekt „Aufholen nach Corona“, mit dem Lernrückstände bei Schülerinnen und Schülern abgebaut werden sollen, können weiter verausgabt werden.

Die Oppositionspartei AfD reagierte erwartungsgemäß: „Der Ausgabenstopp für Schulen ist eine Bankrotterklärung von R2G,“ sagte die Berliner Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker der JF.   Und legt den Finger in die Wunde: „Ein Ausgabenstopp wäre in der Tat angemessen und sinnvoll, allerdings in anderen Bereichen. So sind millionenschwere Projektstudien zu temporären Spielstraßen genauso Steuergeldverschwendung wie die millionenschwere Anschaffung teurer und unwirtschaftlicher Elektrobusse.“ Selbst von der regierungstreuen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kam Gegenwind: „Wir sind ehrlich überrascht und finden es schon erstaunlich, daß ein solches Schreiben mitten in den Herbstferien und so kurz nach den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und während der Gespräche für einen neuen Senat rausgeht“, erklärte GEW-Landeschef Tom Erdmann.

Daß die deutsche Hauptstadt ausgerechnet bei der Bildung einsparen muß, hat aber auch etwas mit der Prioritätensetzung zu tun. Denn für anderes ist genug Geld da: So kaufte beispielsweise die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) in diesem Jahr vier Grünflächen im Bezirk Treptow-Köpenick der Deutschen Bahn AG ab. Auf den 12.000 Quadratmetern könnten nun Ersatzpflanzungen von Bäumen oder Ersatzhabitate für Reptilien entstehen, so die BIM. Und allein im November sollen fünf weitere Unterkünfte mit zusammen 1.200 Plätzen für Asylbewerber geschaffen werden, teilte Monika Hebbinghaus vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten mit.