© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/21 / 29. Oktober 2021

Steigender Grundwasserspiegel der Solidarität
Hilfe für alle Gattungsangehörigen
(dg)

Nach Angaben des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen kamen bereits drei Wochen nach der „Schicksalsnacht“ vom 14./15. Juli dieses Jahres, in der das linksrheinische Ahrtal von einer Flutwelle überrollt wurde, 358 Millionen Euro an Spendengeldern zusammen. Gleichzeitig gingen Sachspenden für die Betroffenen in Rekordhöhe ein, so daß die zahllosen ehrenamtlichen Helfer, die sich wie ein „Pilgerstrom“ in die Katastrophenregion ergossen hatten, mit dem Sortieren von Kleidung, Lebensmitteln und Hygieneartikeln fast überfordert waren. Für Dana Kim Hansen-Strosche, Redakteurin der katholischen Herder Korrespondenz, sind das erfreuliche Symptome eines heraufziehenden Kulturwandels (Heft 9/2021). Sich auf Zeitdiagnosen des Soziologen Heinz Bude berufend, sieht sie das Ende des dominierenden Neoliberalismus heraufdämmern. Nach dessen Ideologie ist eine gute Gesellschaft eine Gesellschaft starker Einzelner. Was sich im Ahrtal stattdessen gezeigt habe, sei der wieder ansteigende „Grundwasserspiegel der Solidarität“. Es gebe offenbar ein bisher unterschätztes Bedürfnis, sich gegenseitig zu unterstützen, obwohl diese optimistische Aussicht im Verlauf der Corona-Pandemie leider getrübt worden sei. Gut, daß sich demnächst klimabedingt häufende Extremwetterlagen reichlich Gelegenheit zu neuen Übungen in Solidarität böten. Die nicht staatlich verordnet werden müßten, weil, wie die plötzlich lupenrein neoliberal argumentierende Hansen-Strosche gegen jede sozialwissenschaftliche Evidenz behauptet, automatisch daraus resultiere, daß sich das Individuum seiner Zugehörigkeit zur Gattung Mensch bewußt werde. 


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