© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/21 / 29. Oktober 2021

Herrschaftssicherung im frühneuzeitlichen Venedig
Die Republik der Denunzianten
(dg)

Auf den ersten Blick scheint sich die Trierer Mediävistin Petra Schulte mit ihrem Projekt „Eine resiliente Stadt: Die Republik Venedig im 15. Jahrhundert“ weit von der Gegenwart zu entfernen (DFG Jahresbericht 2020). Tatsächlich aber stand im Mittelpunkt ihrer Untersuchung ein epochenübergreifendes Problem, das aktueller nicht sein könnte: „Die Bestimmung von individueller Freiheit und Staatsräson“. Um die innere Stabilität der See- und Wirtschaftsmacht am besten sichern zu können, setzte das oligarchische Stadtregiment, der „Rat der Zehn“, auf Repression und Überwachung, um politische Gegner möglichst früh zu erfassen und auszuschalten. Zu den unfeinen Methoden, die der Rat dabei anwendete, zählten Folter, Zensur und – „die Förderung der Denunziation“. Bei ihren Recherchen im digitalisierten venezianischen Staatsarchiv traf Schulte in den Registern immer wieder auf den Begriff „informatio“. Das Einholen, Ordnen und Deuten von Informationen bildete für die Serenissima die Grundlage aller Entscheidungen im Namen systemkonformer „Wahrheit und Gerechtigkeit“. Zugleich betrieb der Rat mit einem Mix von Propaganda und Geheimhaltung gezielte Informationspolitik: immer mit dem Argument, der Zweck heilige die Mittel, solange sie dazu beitrügen, die „Sicherheit der Republik“ zu garantieren. 


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