© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/21 / 29. Oktober 2021

Aus der Höhle in den Himmel
Stefan Aust und Adrian Geiges über Chinas Präsident Xi-Jinping
Filip Gaspar

Der mächtigste Mann der Welt ist nicht mehr der US-amerikanische Präsident in Washington, sondern der Generalsekretär der Kommunistischen Partei und Staatspräsident Chinas Xi Jinping, dessen Amtsbegrenzungszeit aufgehoben und dessen Machtbefugnis 2018 erweitert wurde. Was den mächtigsten Chinesen seit Mao Tse-tung umtreibt, versuchen Stefan Aust und Adrian Geiges in ihrer Biographie zu ergründen. Ihr Buch basiert auf den öffentlichen Quellen zu seinem Leben und seinem politischen Werdegang, seinen Reden und ihren Reportagen in und über China. Die Autoren betonen, weder ein Loblied noch ein „China-Bashing“ abzuliefern. Seitens der chinesischen Regierung habe es auch keine versuchte Beeinflussung gegeben. 

Xi, der den verbreitetsten Nachnamen in China trägt, wurde 1953 in eine privilegierte Familie in Peking hineingeboren. Xis Vater, „Held der kommunistischen Revolution“, war hoher Parteifunktionär, bevor er der Kulturrevolution zum Opfer fiel, von Maos Roten Garden ins Gefängnis gesteckt und erst spät rehabilitiert wurde. Sein Sohn hätte also jeden Grund gehabt, sich vom Kommunismus abzuwenden und zum Dissidenten zu werden. Doch es kam anders. Xi wurde wie viele Jugendliche aufs Land verbannt. In dieser Zeit reifte sein Entschluß, ein noch überzeugterer Kommunist als Marx und Engels zu werden. Und der Weg dorthin war steinig. Der in besseren Wohnvierteln in Peking aufgewachsene Xi sah sich plötzlich gezwungen, in einer Höhle zu hausen. Dazu kam das Mißtrauen der verarmten Landbevölkerung. Diese hatte weder Mitleid noch Essen übrig für Stadtkinder. Um deren Vertrauen zu gewinnen und damit letztlich, um zu überleben, arbeitete er hart auf den Feldern mit. In der Provinz erkannte er auch, daß eine starke Kommunistische Partei in China keine Zukunft hat, wenn sie in der Landbevölkerung verschrien ist. Seinen Aufnahmeantrag in die KP mußte er ganze zehnmal stellen, bevor ihm diese gewährt wurde. 

Von da an legte er eine kommunistische Bilderbuchkarriere hin. In seinem Handeln kommen sein persönlicher Ehrgeiz und Überzeugung zusammen. Er spricht vom „Chinesischen Traum“, wenn er über sein erklärtes Ziel spricht. Und das ist nichts anderes, als China wieder zu alter Größe zu führen, was über eine „patriotische“ Ideologisierung wie auch mit einer aggressiveren Außen- und Innenpolitik befördert werden soll. Denn über Jahrhunderte war China nicht nur eine, sondern die führende Weltmacht. Xi bezieht sich immer wieder auf diese Zeiten und darüber hinaus auch auf Konfuzius, was im Widerspruch zu Mao Tse-tung steht, der alles andere als ein großer Bewunderer von Konfuzius war.

Stefan Aust, Adrian Geiges: Xi Jinping – der mächtigste Mann der Welt. Piper Verlag, München 2021, gebunden, 288 Seiten, 22 Euro